Ben und ich hatten uns für unser Interview in einem lokalen Café verabredet. Als er dort ankam, war er ganz durch den Wind, nachdem er von einem grünen E-Scooter „ganz blöd abgestiegen“ ist. „Ich wollte ein bisschen angeben! Habe mit dem Rad eine Rinne erwischt, bin kopfüber vom Roller gefallen und hatte meine Kapuze über dem Kopf. Ich bin aufgestanden und habe erstmal geschaut, ob mich jemand dabei gesehen hatte. Das war mir so peinlich!“ Sein Knie hatte einen Kratzer abgekriegt und blutete. Nachdem uns der Kellner den Erste-Hilfe-Koffer gebracht hatte, der Ben offenbar vom Les Mills Auckland City Gym kannte („Oh nein! Heute keine Classes mehr!“), setzten wir uns hin und plauderten, während Ben sich sein Knie mit mehreren Pflastern verarztete.
SARAH SHORTT: Wie bist du zum Unterrichten gekommen?
BEN MAIN: Ich bin nach Großbritannien gegangen, um professionell Rugby zu spielen, habe mir aber nach sechs Monaten das Bein gebrochen. Also bin ich ziemlich zeitnah nach Neuseeland zurückgekehrt, in meine Heimatstadt Dunedin, und fing als LES MILLS Teilnehmer mit BODYPUMP als eine Art Rehasport an. Die leichten Gewichte waren gut, um wieder ins Krafttraining reinzukommen, und die Kniebeugen und Ausfallschritte waren wirklich gut für meine Sprunggelenkstabilität und -flexibilität. Mein Sprunggelenk war so steif, dass ich kaum runter in die Kniebeuge kam.
Der Gruppenfitnessmanager kam auf mich zu und sagte zu mir: „Hey, hast du mal daran gedacht Gruppenfitness zu unterrichten?“ und ich so: „Ähm… Nö, nicht wirklich…“ Ich habe aber dann darüber nachgedacht, weil ich damals eigentlich nichts anderes gemacht habe. Zu dem Zeitpunkt war meine Verletzung bereits drei oder vier Monate verheilt, aber ich nahm immer noch an den Classes teil, weil ich tatsächlich viel Spaß dabei hatte. Also sagte ich, „Ja, cool… ich versuch’s einfach mal“, und bereitete mich mit einer CXWORX Release auf meine Ausbildung als Instruktor vor. Und bis heute ist mein mir zugeteilter Track der schwierigste, den ich jemals vorbereiten musste! Ich kann mich leider nicht mehr an die Release erinnern, aber es war der längste Track, den ich je hatte. Darin musste ich einen üblen Hover halten, der gefühlt mindestens fünf Minuten andauerte…
Nach meiner Präsentation meinte der GFM zu mir: „OK, vielleicht solltest du lieber BODYPUMP machen.“ Offensichtlich habe ich keinen guten Job bei CXWORX gemacht – dann habe ich eben BODYPUMP 85 gelernt. Anschließend habe ich die BODYATTACK- und ein paar Monate später die LES MILLS GRIT-Ausbildung absolviert.
SH: Was hat dir das Unterrichten gebracht?
BM: Oh Mann, es hat mir so viel Selbstbewusstsein verliehen, besonders wenn ich vor vielen Leuten reden muss. Es hat mir viel über Training beigebracht, aber auch viel über mich selbst. Ich wurde so oft ins kalte Wasser geworfen. Ich habe gelernt mich unter großem Druck durchzukämpfen und viel Einsatz zu zeigen, um mein Bestes zu geben. Nach jedem Videodreh verließ ich das Set mit einer neuen Stärke.
Außerdem hat es mein Zeitmanagement verbessert, darin war ich echt schlecht. Ständig unterwegs zu sein hat mir geholfen, in größeren Städten zurechtzukommen: wie man sich auf eine Reise vorbereitet, wie man sich gegenüber vielen verschiedenen Menschen aus verschiedenen Kulturen verhält und mit ihnen ins Gespräch kommt.
Als ich ganz neu beim Videodreh dabei war habe ich gelernt, meinen Platz zu finden und den Raum der anderen zu respektieren. Es kann ziemlich einschüchternd sein, wenn man auf Instruktoren trifft, die schon seit Jahren dabei sind und ihre Positionen im Video behalten wollen. Ich will damit nicht sagen, dass ich ihnen den Platz streitig mache, aber ich bin in ihre Welt, in ihren Bereich, eingetreten. Deshalb musste ich lernen, wie ich richtig damit umgehe, denn es ist viel zu einfach im Hintergrund zu bleiben und eingeschüchtert zu sein, um dann zu versäumen vor anderen Leuten wirklich sein Bestes zu geben.
SH: Verstehe. Wenn du also mit etablierten Instruktoren zusammenarbeitest, wie gehst du mental damit um?
BM: Man muss sich einfach sagen, dass man nicht umsonst hier gelandet ist. Du hast hart dafür gearbeitet. Nur weil manche nicht sehen, wie sehr du dich angestrengt hast, heißt das nicht, dass du dir deinen Platz nicht verdient hast. Für mich geht es um Selbstvertrauen und den Glauben, dass ich das Team um meine Stärken bereichere. Jeder bietet etwas anderes und deshalb tun sich für Menschen Möglichkeiten auf. Warum, denkst du, haben die die All Blacks, die neuseeländische Rugby-Union-Nationalmannschaft, drei erste Reihe Stürmer? Weil jeder von ihnen andere Stärken besitzt: einer ist ein ausgezeichneter Torschütze, ein anderer rennt unglaublich schnell mit dem Ball und der nächste hat wieder andere Fertigkeiten. Dabei bestimmen die Stärken des gegnerischen Teams, welcher Spieler auf dem Spielfeld eingesetzt wird. Das Coole daran ist, dass du eine Option bist, weil du etwas anderes kannst.
SH: Was hat dir dein Rugbytraining für deine Karriere und deine Einstellung gebracht?
BM: Mannschaftssport hat mir sehr viel beigebracht. Ich bin ein wetteifernder Mensch. Aber nicht gegen andere Instruktoren, sondern im Wettbewerb mit mir selbst, damit ich fokussiert und engagiert bleibe.
Rugby hat mir von klein auf eine harte Arbeitsmoral vermittelt und mich ins richtige Mindset gebracht – Spaß an Bewegung zu haben. Ich liebe es, Sport zu gucken und selbst zu spielen. Ich bin durch und durch ein Teamplayer und liebe dieses Umfeld. Natürlich sind wir nicht im Team, wenn wir unsere Classes unterrichten. Aber wenn wir Programme wie LES MILLS GRIT coachen, kann man oft das Gefühl einer Teamumgebung schaffen.
SH: Was gefällt dir an Gruppenfitness?
BM: Was mich am meisten fasziniert hat, war die unglaubliche Energie. Die Art von Energie, die man während einer Class freisetzen kann. Ich liebe Musik und in einem Workout 110 Prozent zu kraftvollem Sound zu geben ist ein unbeschreibliches Gefühl. Eines der besten Dinge ist das Gefühl, das aufkommt, wenn du die Class wieder verlässt. Man weiß, dass man ein hartes Workout geschafft hat und ist voller Euphorie – das ist eine coole Routine!
Hartes Training, tolle Musik, tolle Menschen… was will man mehr?
SH: Wie war es für dich, nach Auckland zu ziehen?
BM: Das Einzige, was ich mir wirklich vorgenommen hatte, als ich nach Auckland zog war, mir selbst treu zu bleiben und genau so zu unterrichten, wie in Dunedin. Und ich glaube, das habe ich auch getan. Ich habe mir im Laufe der Zeit mehr Fähigkeiten und Wissen angeeignet, aber ich glaube nicht, dass ich mich sehr verändert habe, was cool ist. Der Einstieg in den Unterricht in Les Mills Auckland City hat einige Herausforderungen mit sich gebracht... du weißt ja, dieses Studio ist in Sachen Gruppenfitness eine der angesagtesten Adressen!
Das ist das Mekka schlechthin und dort unterrichten die ganz Großen. Es kann sehr einschüchternd sein. Ich erinnere mich, dass ich am Anfang dort reingegangen bin und ein paar Classes unterrichtet habe und einige der schon länger unterrichtenden Instruktoren haben mich regelrecht angestarrt, um mich einzuschüchtern. Es dauerte tatsächlich eine Weile, bis ich ihr Vertrauen gewonnen hatte. Das Wichtigste für mich war jedoch, mir selbst treu zu bleiben und zu unterrichten, weil ich es liebe.
SH: Stehst du deiner Familie nahe?
BM: Sehr nahe sogar.
Mein Pop, mein Großvater, ist vor zwei Monaten gestorben, aber meine Nana ist noch bei uns und wir stehen uns extrem nahe. Meine Mum und mein Dad haben bei meinen Großeltern gewohnt, bis zu meinem 8. oder 9. Lebensjahr, genauso wie meine Tante und eine meiner Cousinen. Sie war wie eine Schwester für mich – wir sind nur drei Wochen auseinander. Es war die beste Kindheit überhaupt. Wir hatten so viel Spaß und es war immer einiges los. Ich bin so dankbar für all die Dinge, die sie für mich getan haben. Als Sportler bin ich früher durch das ganze Land gereist und meine Familie begleitete mich immer und fuhr mich durch die halbe Weltgeschichte. Ohne sie würde ich nichts von dem ganzen coolen Zeug machen, das ich gerade machen darf.
SH: Was war die schwierigste Situation in deinem Leben?
BM: Ich glaube das war, als mein Pop gestorben ist. Wir hatten bis dahin keinen Todesfall im engeren Familienkreis, daher war es für mich wirklich schmerzhaft. Mitanzusehen, was er alles durchmachen musste und für mich einen Weg zu finden damit umzugehen war für mich sehr schwer.
SH: Wie kommt man damit zurecht und wie findet man seinen Weg zurück zum Instruktor?
BM: Als er starb war ich eigentlich in Mexiko. Ich bekam einen Anruf von meiner Familie und es hieß, „Du brauchst nicht herfliegen. Es wird keine Beerdigung geben, sondern eine Familienfeier, wenn jeder Zeit hat nach Hause zu kommen.“ Ich ging mit meiner Freundin Greta aus, wir stießen mit einem Bier auf meinen Pop an und danach habe ich mit meiner Familie geskypt.
Aber sobald ich nach Neuseeland zurückkam, war ich direkt mit dem Filmen beschäftigt. Ich erzählte einigen Presentern, was passiert war, aber ich wollte einfach konzentriert bleiben und nicht zu viel darüber nachdenken. Es gab ein paar harte Momente, aber ich bin ziemlich gut darin, mich auf anstehende Aufgaben zu konzentrieren. Es war gut eine Ablenkung zu haben und als ich nach Hause kam und bei meiner Familie war, konnte ich loslassen. Es wäre komisch gewesen alleine zu trauern. Ich habe meine Gefühle einfach außen vorgelassen, bis ich die Zeit hatte zusammen mit meiner Familie Abschied zu nehmen.
Während des Unterrichtens dachte ich nur daran, Spaß zu haben, und ich wusste, dass Pop nicht will, dass ich etwas anderes mache, denn sein Lebensmotto war Spaß zu haben.
SH: Wenn du alle Instruktoren der Welt in einem Raum hättest, welchen Rat würdest du ihnen geben?
BM: Denke immer daran, warum du unterrichtest. Für mich steht der Spaßfaktor im Vordergrund. Wenn du selbst keinen Spaß hast, wie kannst du dann erwarten, dass andere Leute in deiner Class Spaß haben? Trainieren ist hart genug, also wenn es den Teilnehmern richtig viel Spaß macht, werden sie sich 10-mal mehr anstrengen. Es geht darum, ihnen eine schöne Zeit zu bereiten. Spaß ist das Schlüsselwort. Das ist wohl die Quintessenz aus unserem Interview – Spaß ist mein Motto.
SH: Was würdest du deinem 16-jährigen Ich sagen?
BM: Wahrscheinlich „Ernähre dich gesünder“. Ich habe früher gerne Junk-Food gegessen! Pizza war mein Lieblingsessen… meine Kumpels haben tatsächlich zu meinem 16. Geburtstag eine Party in einem Pizza Hut organisiert, damals gab es da noch ein All-You-Can-Eat Buffet. Danach gingen wir was trinken und ich bin buchstäblich durchs Dach gefallen! Ich hing da mit meinen Beinen, die so [zeigt] im Raum baumelten und ich musste mich irgendwie hochziehen. Wir brachen den Abend dann schnell ab und flitzten davon… das war das Ende der Party!
Ich würde also meinem jüngeren Ich sagen, es soll sich gesünder ernähren und das Beste aus der Zeit machen, die es mit seinen Kumpels in diesem Alter hatte. Die Highschool ist definitiv die beste Zeit meines Lebens gewesen und ich würde meinem Ich noch sagen, es soll seinen eigenen Weg gehen und nicht das tun, was andere für richtig halten. Ich bin gleich nach meinem Abschluss an die Uni gegangen und habe Design und Marketing studiert. Ich habe das Studium zwar erfolgreich beendet, aber ich glaube, ich hätte doch ein Gap Year dazwischen einlegen sollen.
SH: Gibt es etwas über dich zu wissen, das die Leute überraschen könnte?
BM: Ich habe früher immer Chicken Nuggets beim Baden gegessen. Als kleines Kind habe ich sie geliebt… gegessen habe ich sie dann immer in der Badewanne, haha.
SH: Machst du das heute immer noch?
BM: Nein! Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal einen Chicken Nugget hatte.
Was manche Leute auch überraschen dürfte ist, dass ich den traditionellen Cookinsel-Hula-Tanz getanzt habe. Mein Vater ist Halb-Tahitianer, Halb-Cookinsel-Maori und mein Cousin, der mit mir aufwuchs, und ich gingen zum sogenannten „Language Nest“, wo wir mehr über die Kultur auf den Cookinseln lernten. Bis ich mit Greta mal wieder dorthin gereist bin, hatte ich nicht mehr getanzt, aber dann kamen die Erinnerungen zurück.
Was vielleicht auch interessant ist: Ich liebe die Reality-Show „The Hills – New Beginnings“. Ich wohne mit meiner Freundin und sechs anderen Mädels zusammen und wir sehen uns das immer gemeinsam an. Man muss dabei nicht wirklich viel nachdenken.
SH: Erin Maw erwähnte, dass ich dich nach dem LES MILLS GRIT Videodreh fragen sollte, wo du das Wasser von jemand anderen getrunken hast.
BM: [Lacht] Na gut. Wir drehten GRIT Cardio 20 und ich erinnere mich nur daran, dass die Nebelmaschine angeworfen wurde. Mein Mund wurde während des Trainings so trocken, dass ich direkt nach meinem Track, als Makisi [Marcus Wong King] mit dem Unterrichten begann, ins Floorcoaching ging, nur um irgendwo etwas Wasser zu finden. Ich habe dann einem Teilnehmer mit einer Geste symbolisiert, dass er die Übung gut durchzieht, dann nahm ich einfach irgendeine Trinkflasche und hab sie auf einen Zug geleert. Ich glaube, es wurde tatsächlich auf dem Video festgehalten. Aber hey – wenn man seine Teilnehmer gut kennt, dreht sich alles um die persönliche Bindung…!
Aber ja. Das war definitiv ein lustiger Moment.
SH: Was war der unvergesslichste Videodreh?
BM: Das war wahrscheinlich mein allererster. Ich war Shadow in BODYPUMP 95 und ich erinnere mich aus zwei Gründen daran: Zum einen war es seltsam auf der Bühne zu stehen und Glen vor mir zu haben. Ich war es gewohnt, ihn auf meinem Fernseher zu sehen und von ihm zu lernen. Zum anderen war es ein seltsamer Dreh, weil mir meine Filmpartner aus Großbritannien einen Drink anboten und sagten, „Hier, trink das, das ist Pre-Workout“. Ich dachte mir nur „Das ist aber nett“, aber ich hatte noch nie sowas getrunken und sie sagten noch „Vielleicht solltest du einen weiteren Löffel reinmischen, du bist ein großer Kerl“. Sie drückten mir die Flasche in die Hand und ich trank sie vor Beginn der Dreharbeiten auf ex aus und ich erinnere mich nur daran, dass ich beim Warm-up meine Lippen nicht spüren konnte! Meine Lippen waren taub, meine Ohren brannten und ich versuchte nur, keine Miene zu verziehen. Aber mein ganzes Gesicht brannte und ich hatte das Gefühl, dass es erst nach dem Schulter-Track besser wurde. Offensichtlich habe ich es bis zum Schluss durchgezogen, dennoch war es für mich der unvergesslichste Videodreh!
Aber auch die Dreharbeiten zu BODYPUMP in Schweden waren unvergesslich. Ich erinnere mich, dass ich auf der Bühne stand und nur drei oder vier Reihen weit sehen konnte, weil alles dunkel war. Sobald der Beat des Squat-Tracks einsetzte, wurde der ganze Raum erleuchtet. Das war ein ziemlich cooles Gefühl. Ich konnte den Bass im ganzen Körper spüren und ich erinnere mich nur daran, dass ich dachte: „Das war ein langer Weg von dieser kleinen Bühne in Dunedin bis hierher.“