SARAH SHORTT: Wie lange dauert es, bis ein Release fertig ist?
GLEN OSTERGAARD: Die Entwicklung einer neuen Release gliedert sich in drei Teile: Musikauswahl, Choreografie und zum Schluss der letzte Schliff.
Am längsten dauert die Musikauswahl. Diese ist bei jedem Programm der erste Schritt. Bei BODYPUMP verbringe ich zwei bis drei Wochen damit, alle Lieder durchzugehen, die ich gesammelt habe und die es dann in die engere Auswahl von ca. 100 Tracks schaffen. Diana [Archer Mills] und ich erstellen daraus dann eine Haupt-Playlist. In der Regel weiß ich aber schon im Vorhinein, welche Musik ich verwenden möchte. Aus den 100 Tracks werden also schnell 20, aus denen wir auswählen – zwei Warm-ups, zwei Squat Tracks usw. Sich final für Tracks zu entscheiden ist der schwierigste Teil. Sobald das erledigt ist, beginne ich mit der Bearbeitung der Musik, damit die Songs die richtige Länge haben. Das dauert nochmal ca. eine Woche.
Nach gut einem Monat habe ich die 12 Tracks zusammen [inklusive der Tracks für das 45-minütige Format] und kann mit der Choreografie starten. Das mache ich in der Regel in zwei Schritten. Ich choreografiere die erste Hälfte, teste sie eine Woche lang und erstelle in der darauffolgenden Woche die andere Hälfte.
Bei der Choreografie gehe ich ziemlich schnell vor, denn so kann ich am kreativsten sein. Am meisten Zeit verwende ich darauf, die passende Musik zu finden und dafür zu sorgen, dass der nötige Kontrast zwischen den Tracks vorhanden ist. Das ist der zeitaufwändige Teil – der mir manchmal wirklich wie eine Ewigkeit vorkommt. Die Choreografie an sich geht ziemlich schnell.
Wie oft testest du eine Release, bis sie veröffentlicht wird?
Normalerweise bin ich nach drei Probedurchläufen durch. Diana testet sie dann zum vierten und Jackie [Mills] schließlich zum fünften Mal.
Fallen dir bei den Probedurchläufen oft Dinge auf, die du dann noch änderst?
Ja, aber ich gehe auch nach Gefühl. Manchmal klappt es einfach nicht so, wie man es sich vorgestellt hatte oder es fühlt sich nicht richtig an. Nach dem ersten Probedurchlauf verpasse ich den Classes ihren letzten Feinschliff. 80 Prozent sind schon beim ersten Versuch in Ordnung, etwa der Aufbau, das „Feeling“ und die neuen Elemente. Die letzten 20 Prozent sind es, die dann den Unterschied machen. Und darauf entfällt die restliche Zeit. In der Zeit, in der ich den Feinschliff vornehme, bin ich immer ganz besonders kreativ.
Ist der Ablauf bei RPM und LES MILLS SPRINT derselbe?
Bei RPM ist er derselbe, wobei ich hier fast noch mehr Zeit mit der Musikauswahl verbringe, weil die Übergänge stimmen müssen. Hier sind Gefühl und Flow besonders wichtig. Bei BODYPUMP sind die Tracks unterschiedlich und das funktioniert wunderbar, weil man ja immer wieder aussetzt und nicht durchgehend in Bewegung ist. Bei RPM ist das anders: Track eins geht in Track zwei über, dieser in Track drei und immer so weiter.
Ich verbringe Stunden damit, mir Lieder anzuhören, sie hin und her zu schieben, immer wieder die Reihenfolge zu ändern, immer wieder Anpassungen vorzunehmen... Es dauert seine Weile, bis die sieben Tracks in der perfekten Reihenfolge und perfekt aufeinander abgestimmt sind. Die Choreografie bei RPM ist hingegen simpel. Sobald der Ablauf steht, ist nicht mehr viel zu tun. Die Arbeit im Vorfeld ist hier entscheidend und bildet die Grundlage. Bei RPM erfordert es am meisten Zeit und Kreativität, die perfekten Übergänge zwischen den Songs zu schaffen.
Wie sieht es mit LES MILLS SPRINT aus?
Bei SPRINT ist der Ablauf etwas anders, denn es geht ja darum, in Intervallen an seine Grenzen zu gehen. Darum wird hier erst über die Choreografie und dann über die passende Musik entschieden. Das Feeling bei SPRINT ist anders als bei RPM.
Hier erfordert es vor allem Kreativität, die passenden Abschnitte zu finden und sie so zusammenzufügen, dass wir auf die benötigten 28 Minuten kommen. Weil SPRINT so anders ist, muss ich hier eine Vorstellung davon haben, was ich möchte, und zwar bevor ich anfange. Wohingegen bei RPM und BODYPUMP der Ablauf immer derselbe ist.
Jedes Programm ist unterschiedlich, jede Class wird anders zusammengestellt, doch eines haben alle gemeinsam: Die Musik ist die wichtigste Grundlage. Sobald der Grundstein gelegt ist, d. h. die Musikauswahl getroffen wurde, geht es mit der Choreografie in der Regel schnell.
Wo nimmst du die Inspiration her, um RPM und BODYPUMP immer wieder neuartig und innovativ zu gestalten?
Bei RPM geht es um die Musikauswahl und unterschiedliche Sounds. Das Neuartige basiert hier darauf, neue Sounds an unterschiedlicher Stelle einzusetzen – ich tausche die Zwei mit der Vier, die Drei mit der Sechs oder die Drei mit der Sieben....
Für BODYPUMP hole ich mir Inspiration aus unterschiedlichen Quellen: Übungen, die ich selbst absolviere, Anregungen von anderen wie Corey [Baird] oder von Diana und Jackie... BODYPUMP entwickelt sich kontinuierlich weiter, wie Instruktoren in den vergangenen 12 Monaten sicher festgestellt haben.
„Ich möchte verhindern, dass BODYPUMP uninteressant und unbedeutend wird, nur weil wir es verpasst haben, mit der Zeit zu gehen und auf die Bedürfnisse der nächsten Generation einzugehen."
Wie sieht dein typischer Tag aus und wie bringst du deine Verpflichtungen als Vater, Ehemann und Program Director unter einen Hut?
Los geht es mit einem Workout, das ich absolviere, wenn meine Kinder noch schlafen: Ich stehe um 5 Uhr morgens auf und gehe eine Runde laufen. Um 7 Uhr helfe ich meiner Frau, die Kinder für die Schule fertigzumachen, arbeite anschließend den Rest des Tages, unterrichte an manchen Abenden Classes und helfe meiner Frau mit den Kindern.
Du musst deine Zeit eben richtig planen. Größtenteils kümmert sich Sarah [Ostergaard, Glens Ehefrau] um die Kinder, doch und es gibt bestimmte Tageszeiten, an denen die Kinder uns am meisten brauchen: morgens – d. h. Frühstücken, die Kinder für die Schule fertigmachen etc. – und abends – d. h. Abendessen, Baden, die Kinder ins Bett bringen. Das sind besondere Momente, die ich nicht missen möchte. Dass ich von zu Hause aus arbeite, erleichtert uns die Dinge sehr.
Wir haben einen hektischen Alltag, doch mit dem richtigen Zeitmanagement klappt es. Ich weiß genau, wann ich was zu erledigen habe und wann ich wofür Zeit einplanen muss – nur so funktioniert es. Man muss strukturiert sein.
Denkst du darüber nach, welch magische Momente du erschaffst oder machst du einfach „dein Ding“?
Ich mache mir darüber keine Gedanken. Ich mache einfach meine Arbeit. Ich liebe es, neue Releases zu kreieren. Am schönsten ist es, wenn ich die Musikauswahl schon beisammenhabe und ich an den Details arbeiten kann. Auch die Probedurchläufe machen mir großen Spaß. Ich kann es dann immer kaum erwarten, die neuen Classes zu unterrichten und freue mich darüber, wenn es eine gute, kreative und innovative Release wird. Wenn ich mich darauf freue, die neue Release zu unterrichten, dann weiß ich, dass sie gut wird.
Wie sieht deine Trainingsroutine aus? Hat sie sich mit zunehmendem Alter geändert?
Je älter ich werde, umso schwerer fällt es mir, immer wieder dasselbe tun. Früher konnte ich jeden Tag laufen und komplett an meine Grenzen gehen – das geht jetzt nicht mehr. Ich kann immer noch hart trainieren, muss aber smarter an die Sache herangehen. Ich muss Tage einplanen, an denen ich laufen gehe, Tage an denen ich Krafttraining mache... Ich versuche, mich jede Woche an einen festen Plan zu halten, um das Trainingsvolumen hochzuhalten, ohne mich zu verletzen. Man muss sein Training einfach intelligenter planen.
Hast du mal etwas getan, was sich keiner von uns vorstellen könnte?
Vor langer Zeit, d. h. vor rund 20 Jahren, hatte ich zusammen mit Gandalf [Archer Mills] eine Bühnenshow.
Es gab da ein Restaurant in Newmarket [Auckland] namens Burgundy’s. Dort konnte man essen und sich Gesangs- und Tanzauftritte ansehen. Es war wie eine Kabarettshow.
Nach vielen Jahren wurde das Restaurant geschlossen, doch nach ein paar Jahren beschlossen die Besitzer, wieder eine Show zu starten. Alle weiblichen Tänzer waren noch da, doch sie brauchten männliche Darsteller. Einige der Mädels gingen in dasselbe Fitnessstudio wie wir und so kam es, dass Gandalf und ich bei der Show auftraten. Es waren allerdings nur ein paar Gastauftritte.
Was hast du auf der Bühne gemacht?
Ich musste mich als Elvis Presley verkleiden und so tun, als würde ich eines seiner Lieder siegen. Natürlich war das alles nicht ganz ernst gemeint. Ich musste Playback singen und mich ziemlich dumm dabei anstellen, dann einen Wutausbruch mimen usw. Comedy, eben. Gandalf übernahm den Tanz-Part. Er machte das ganz großartig. Ich konnte überhaupt nicht tanzen und musste daher alles andere übernehmen.
BODYPUMP hat sich in den letzten 12 Monaten stark verändert. Kannst du uns die Gründe dafür nennen?
All unsere Programme müssen weiterentwickelt werden, denn wir müssen mit der Zeit gehen. Bei BODYPUMP ist das nicht anders. Ich möchte verhindern, dass BODYPUMP uninteressant und unbedeutend wird, nur weil wir es verpasst haben, mit der Zeit zu gehen und auf die Bedürfnisse der nächsten Generation einzugehen.
Als ich begann, mit BODYPUMP zu arbeiten, gehörte ich der jüngeren Generation an. Das ist jetzt nicht mehr so. Wenn ich dasselbe tun würde wie vor 15 Jahren – mit derselben Musik und denselben Bewegungsabläufen – denn würde es nicht funktionieren. Früher kam das natürlich gut an, denn es war das, was die Leute wollten, doch wir müssen uns nach aktuellen Trends richten.
Functional Training, etwa, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Sieh dir Großstädte an: An jeder Ecke findest du Angebote wie F45 oder Boutique-Studios. Bei LES MILLS haben wir mit den neuen Programmen Ceremony und Conquer kürzlich unser eigenes Functional Training auf den neuseeländischen Markt gebracht. Ich sehe viele junge Leute zu diesen Programmen wechseln, die bisher dienstags um 18.10 Uhr zu meiner BODYPUMP gingen. Denn das ist die Art von Training, die sich die jüngere Generation wünscht.
Ich muss sicherstellen, dass ich auf diese jüngeren Zielgruppen eingehe, denn das, was mit meiner BODYPUMP Class passiert, kann auch bei anderen Programmen passieren. Wenn BODYPUMP Millennials oder der Gen-Z nicht gefällt, dann wird es irgendwann von der Bildfläche verschwinden, und das möchte ich nicht.
In den letzten zwölf Monaten habe ich daher daran gearbeitet, das Programm kontinuierlich weiterzuentwickeln – die Musik, die Art, wie ich es präsentiere sowie den Ablauf.
Bei der Musikauswahl bekomme ich Input von angesagten DJs sowie von Ezra [Fantl, Product Innovation] – und finde das großartig. Es ist mir egal, woher die Musik kommt, solange sie gut klingt und sich gut anfühlt. BODYPUMP hat jetzt einen jüngeren, frischeren Sound.
BODYPUMP soll auch anders unterrichtet werden: direkter, mit weniger Dramatik und Show. Geh auf die Bühne, schnapp dir die Stange, drück die Play-Taste, und los geht‘s. Tatsächlich war BODYPUMP vor einigen Jahren noch genau so. Halte dich mit den Erklärungen kurz. Ein langer Intro-Track zerstört die Stimmung und die Leute verlieren ihre Aufmerksamkeit. Achte darauf, dass sie am Ball bleiben und halte die Pausen zwischen Tracks kurz und auf den Punkt.
Während des Workouts vermittle ich außerdem ein intensiveres Trainingsgefühl, indem ich funktionale Übungen einbaue. BODYPUMP basiert nach wie vor auf Widerstandstraining mit hohen Wiederholungszahlen, doch ich baue neue Übungen mit ein, um es aktuell und dynamisch, und mit einem Hauch mehr Cardio, zu halten. In den letzten drei Releases – 110, 111 und 112 – werden die Instruktoren diese Neuerungen schon bemerkt haben. Bei Release 113, den wir gerade erst in Sydney gefilmt haben, habe ich neben Isolationsübungen auch Übungen mit intensiven kardiovaskulären Komponenten eingebaut. Im Trizeps-Track, etwa, absolvieren wir Mountain Climbers. Mit dieser Übung treiben wir den Puls in die Höhe und beanspruchen gleichzeitig den Trizeps. Wenn wir dann zu einer Standard-Trizeps-Übung übergehen, sind wir schon stärker ermüdet und holen so insgesamt mehr aus dem Track heraus.
Das Großartige ist, dass BODYPUMP nach wie vor ein großartiges Programm für Jedermann ist und dass es tolle Resultate liefert, die z. B. Zirkel-Workouts, die in letzter Zeit immer beliebter werden, nicht bieten. Zirkeltraining bringt deinen Motor auf Touren und du verbrennst damit eine Menge Kalorien, doch du wirst damit nicht die Muskeldefinition und Straffheit erlangen, die dir Training mit Gewichten liefert.
Meine Herausforderung ist es, die jungen Leute wieder für meine Dienstagabend-Class zu gewinnen – und das ist sinnbildlich für meinen Kampf um BODYPUMP.
Welchen Rat würdest du allen BODYPUMP Instruktoren geben?
Wahrscheinlich, dass sie mit der Zeit gehen und sich Veränderungen nicht versperren sollten. Wir leben in einer schnelllebigen Welt. Natürlich wollen wir die Vergangenheit nicht ausblenden, doch, wie Les Junior immer so schön sagt: „Würden wir in der Vergangenheit leben, dann würden wir noch auf Pferden ins Fitnessstudio reiten.“
Ich würde ihnen außerdem raten: Versucht, Dinge zu verstehen, bevor ihr sie verurteilt. Ich weiß, dass es Diskussionen über den Low Pull/High Pull in Track 4 bei Release 111 gab. Ich würde gerne erklären, wie dieser Move zustande kam:
Wie eingangs erläutert, beginnt alles mit der Musik. Der Track, von dem wir hier sprechen („No Reserve“), hat ein Tempo von 160 bpm, was für einen Rücken-Track ziemlich schnell ist. Bisher hatten Rücken-Tracks 130 bis 140 bpm. Darum ist es eine Herausforderung, eine passende Choreografie für diesen schnelleren Beat zu finden.
Ich wusste aber, dass die Leute den Song lieben würden, darum wollte ich eine Möglichkeit finden, ihn zu verwenden, denn er ist frisch und neu. Für einfache Deadrows ist das Tempo zu schnell, darum habe ich Double Deadrows eingebaut – sprich Deadlifts mit zwei Pulls – damit es zur Musik passt. Aufgrund dessen musste die Clean and Press-Phase wiederum verlangsamt werden. Jeder, der schon mal olympisches Gewichtheben gemacht hat, wird wissen, dass man beim Erlernen von „Clean and Snatch“, nicht gleich den gesamten Bewegungsablauf in einem übt, sondern sich Stück für Stück herantastet. Man beginnt bei der Hüfte, geht dann über zu den Oberschenkeln und dann in die Kniebeuge. Man bereitet sich sowohl mental als auch körperlich auf den gesamten Bewegungsablauf vor. Beim Low Pull/High Pull ist genau dasselbe der Fall. Er bereitet die hintere Muskelkette vor, damit du einen weicheren, effizienteren Lift absolvieren kannst.
So entstand diese Innovation. Und zwar auf Basis der Musik. Wenn ich diesen dynamischen, schnellen Track nicht verwendet hätte, dann wäre diese Übung niemals entstanden.