SARAH SHORTT: Hallo Adam! Du hast gerade die Dreharbeiten zu BODYATTACK 106 beendet. Wie war diese Erfahrung für dich?
ADAM BRAMSKI:
Die Drehtage waren eine Herausforderung für mich, weil ich aus meiner Komfortzone herausgekommen bin und ich Dinge ausprobiert habe, die völlig neu für mich waren.
Es hätte so oder so ausgehen können: Entweder hätte es funktioniert oder ich hätte etwas daraus gelernt. Manchmal haut es hin und manchmal lernt man daraus was für jemanden wie mich, der immer alles richtig machen will, extrem schwer ist! Aber letzten Endes sind es doch genau diese Dinge, aus denen wir lernen und die uns helfen besser zu werden.
Und wie war das eigentliche Filmerlebnis?
Weißt du, vor den Filmaufnahmen war ich so in Gedanken versunken, dass ich, als ich die ersten Proben fürs Filming unterrichtete, niemanden im Raum registrierte – wirklich niemanden. Ich schaute durch die Menschen hindurch und nicht die Menschen an. Das war für mich wirklich enttäuschend, denn meine Stärke ist die Connection – die Verbindung zu den Teilnehmern. Ich war von mir selbst enttäuscht, dass ich nicht alles gegeben hatte.
Als es jedoch um die eigentlichen Aufnahmen für die Masterclass ging, sah ich jede einzelne Person im Raum. Ich unterrichtete die Class für die Menschen, die vor mir standen und es hat sich 100 % echt angefühlt. Die Teilnehmer verließen die Class und hatten das Gefühl, dass ich sie erreicht habe. Darauf war ich mächtig stolz!
Allerdings fühlte ich mich nicht sofort nach dem Dreh glücklich und stolz. In dem Moment war ich super enttäuscht von mir selbst und hatte Angst, nicht alles perfekt gemacht zu haben. Ich ging zurück in mein Zimmer und schon verfiel ich in diese negative Abwärtsspirale, warum habe ich das nicht gesagt oder was hätte ich während der Woche anders machen können…und ich musste einfach damit aufhören. Ich habe buchstäblich laut „Stop!“ zu mir gesagt. Ich musste mir ein Bild von diesen Menschen als meine positive Erfahrung vor Augen halten anstatt darüber nachzudenken, was ich hätte anders machen sollen.
Ihr habt beide selbst ein Advanced Training absolviert und es für andere Instruktoren ermöglicht. Kannst du mir sagen, wie dieses Training deinen Zugang zum Unterricht verändert hat?
Es hat mich gelehrt, neue Dinge auszuprobieren. Und sei nett zu dir selbst, wenn du neue Dinge ausprobierst! Du musst dir bewusst sein, dass Menschen für mehr als nur ein Fitnesserlebnis zu einer Class kommen. Wenn man also ganz in Gedanken ist, sich um seine Choreografie und Technik sorgt und sicherstellt, dass man seine Coaching-Cues richtig platziert, verpasst man die Gelegenheit sich an die Bedürfnisse der Gruppe anzupassen. Einige Leute wollen kein Coaching. Einige wollen nur die Connection und andere suchen Ruhe und möchten die Musik genießen – du musst in der Lage sein dich auf dein Publikum einzustellen.
Anstatt nur alles nacheinander abzuhaken, ist es wichtig zu lernen, was die Leute im Raum wollen – und nicht nur, was du als deine Vorstellung von einer perfekten Class aufgeschrieben hast. Was ist ihre Idee von einer perfekten Class und wie kann man sie ihnen liefern?
Ein großer Teil des Advanced Trainings besteht darin, seine stärkenden und einschränkenden Glaubenssätze zu identifizieren. Könntest du deine teilen?
Mein einschränkender Glaubenssatz ist, „Ich bin nicht gut genug“. Dieser ging für mich immer Hand in Hand mit „Wer glaubst du eigentlich, wer du bist?“ Weil ich in der Schule den Sportunterricht nicht bestanden und nie Sport getrieben habe. Dadurch hatte ich fast das Gefühl, ich habe nicht das Recht, auf der Bühne zu stehen und zu versuchen, mich wie ein Athlet zu „verhalten“, wenn ich doch nie wirklich ein Athlet war.
Aber mein stärkender Glaubenssatz ist, dass, wenn man sich ins Zeug legt, das Physische nur ein Teil davon ist: „Ich bin stark und fit genug – mental und körperlich“.
Viele Leute hätten dich schon vor dem Training als Advanced Instructor gesehen. Was hat der Kurs für dich persönlich bewirkt?
Es gab mir die Erlaubnis, beim Unterrichten einfach ich selbst zu sein – was in der Fitnessbranche wirklich hart ist.
Du glaubst, du müsstest die Dinge sagen, wie sie auf den Videos zu sehen sind und du müsstest ein gewisses Aussehen haben...du musst auf den sozialen Medien posten, wie es viele Leute tun und du musst viele Dinge unternehmen, die dich als „Influencer“ qualifizieren würden – wie zum Beispiel viele Likes bekommen oder viele großartige Inhalte veröffentlichen und ich habe für mich erkannt, dass ich das eigentlich nicht tun muss. Ich muss einfach ich selbst sein!
Es hat mich dazu gebracht, über meine Werte nachzudenken und zu hinterfragen, ob mein Handeln mit meinen Werten übereinstimmt. Ich musste einige Dinge ändern und jetzt fühle ich mich wirklich im Einklang mit dem, wofür ich sowohl als Instruktor als auch als Person stehe. Ich weiß, dass ich meine Werte lebe und nicht versuche, jemand zu sein, der ich nicht einmal sein will.
An erster Stelle steht die Zugehörigkeit. Das liegt an meiner Mutter, Patty. Ich erzähle Leuten immer, dass meine Mutter 4,5 kg verlieren wollte, bevor sie sich im Gym anmeldete. Ich habe ihr dann eine Jahresmitgliedschaft fürs Fitnessstudio zu Weihnachten geschenkt und sie war so beleidigt, weil sie bis dahin die Kilos noch nicht verloren hatte. Es dauerte Wochen bis zu ihrem ersten Besuch im Studio. Sie ging dann hin und nahm zum ersten Mal an BODYPUMP teil. Ich sagte ihr: “Benutze einfach nur die Stange ohne Gewichte und geh nach vier Tracks, niemand wird dich ansehen.“ Früher war sie die Patty aus der letzten Reihe und heute – vier Jahre später – ist sie die Patty aus der ersten Reihe! Sie bittet die Instruktoren um ihre Lieblingslieder, sie schaltet mich sogar über Facetime hinzu und zeigt mir die Übungen…
Ich denke an die Leute, die in vorm Studio in ihren Autos sitzen und sich vor dem Training selbst ermutigen müssen, bevor sie durch die Tür gehen. Viele von uns verstehen das nicht.... Ich erinnere mich immer daran, dass dieses Mitglied die Mutter, die Schwester oder der Vater von jemandem ist. Ich möchte, dass sie sich erfolgreich und gut fühlen, also unterrichte ich immer die Pattys im Raum.
Nummer zwei: Ehrlichkeit. Ich werde mich nie für meinen Wert verkaufen und etwas veröffentlichen, das ich nicht posten will oder nichts tun, was ich nicht tun will oder nichts sagen, woran ich nicht glaube. Ich werde immer meinen Standpunkt vertreten und keine Botschaft übermitteln, hinter der ich nicht stehe.
Nummer drei ist harte Arbeit. Das habe ich von meiner Mum gelernt. Sie war eine alleinerziehende Mutter, die in einer Zweizimmerwohnung Tagesbetreuung für neun Kinder anbot. Wir sind in sehr armen Verhältnissen aufgewachsen. Wenn sie keine Tagesbetreuung anbot, arbeitete sie als Reinigungskraft. Das tat sie, weil sie mir und meiner Schwester ein gutes Leben ermöglichen wollte.
Harte Arbeit bedeutet eine starke Arbeitsethik: konzentriere deine Arbeit auf das Lernen deiner Materialien, das Üben deiner Technik und das Scripten deiner Inhalte. Aber tu das auch immer mit der Absicht, anderen helfen zu wollen – wie es meine Mum für mich getan hat. Zu Weihnachten schenke ich ihr immer noch eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio und dieses Jahr sagte ich: „Bist du nicht froh, dass du ein Training geschenkt bekommst?“ Und sie sagte: „Du gibst mir das Geschenk mich selbst zu verwirklichen.“ Es ist mir eine Herzensangelegenheit, wenn Leute meine Classes besuchen – das ist die Mutter von jemandem und das ist mehr als nur ihr Training. Es ist mehr als nur eine Wiederholung – es befähigt Menschen, sich selbst besser zu fühlen. Und wenn du dich selbst besser fühlst, behandelst du auch andere Menschen besser.
Adam Bramski ist Mitglied des TAP-Teams in den USA. Er lebt in Chicago, wo er auch als Gruppenfitnessmanager und Neuro-Linguistik-Practitioner tätig ist.
