INSTRUKTORIN, ÄRZTIN UND TEIL DER LGBTTQIA+ COMMUNITY

Trainerin und Presenterin Amy Lu erzählt von ihren Erfahrungen als Teil der LGBTTQIA+-Fitness-Community und wie sie ihre Tätigkeit als Instruktorin mit ihrem Beruf als Ärztin vereinbart.

Hallo Amy, erzählst du uns ein bisschen von deinem Werdegang?

Amy Lu (AL): Klar! Im Alter von fünf Jahren kam ich mit meiner Mutter aus China nach Neuseeland. Es waren nur sie und ich. Ich bin ganz klassisch als chinesische Migrantin aufgewachsen – da gibt es ein bestimmtes Bild und einen bestimmten Lebensweg, den die Eltern für dich vorsehen. Als Mädchen wird von dir erwartet, dass du nett, ruhig, anmutig, elegant und feminin bist. Du triffst einen netten Jungen, du heiratest, bekommst Kinder und so weiter. Ich weiß noch, dass ich immer versucht habe, in die Vision zu passen, die meine Mutter für mich hatte. Wenn ich zurückdenke, vermute ich, dass ihre größte Angst war, dass ich homosexuell sein könnte. Ich mochte Hip-Hop, also hat sie mich zum Ballett gedrängt. Ich wollte Gitarre lernen, aber das war zu „jungenhaft“, also drängte sie mich dazu, Flöte zu spielen. Sogar die chinesischen Schriftzeichen meines Namens sind sehr feminin!

Als ich in Neuseeland aufwuchs, wurde Homosexualität noch nicht so offen gelebt wie heute. Ich habe meine Sexualität nie so richtig erforscht. Ich wusste irgendwie, dass ich Jungs mögen sollte, aber ich war mir nie sicher, ob ich es tat. Und ich war wohl auch ständig einer unterschwelligen Homophobie ausgesetzt. Ich hatte aber ein paar heimliche Beziehungen zu Mädchen in der High School und an der Uni.

Wie bist du zum Unterrichten gekommen?

AL: Nach Abschluss meines Medizinstudiums zog ich nach Whangarei, wo ich mich neu finden konnte. Ich meldete mich in einem Fitnessstudio in der Nähe an und wurde irgendwann angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, Instruktorin zu werden. Ich absolvierte das Initial Training und lernte dort Carrie Kepple, eine der Trainerinnen, kennen. Wenn du Carrie kennst, dann weißt du, dass sie zierlich, feminin und ein echtes Energiebündel ist. Niemand würde direkt daran denken, dass sie lesbisch sein könnte. Ich erinnere mich noch gut daran, wie sie sich vorstellte und sagte: „Ich komme aus den USA, aber meine Frau ist aus Neuseeland, also bleibe ich wohl für immer hier.“ Ich habe ihr nur mit halbem Ohr zugehört, aber als sie das sagte, war ich richtig verblüfft. Ich dachte: ‚Wie kann sie das so beiläufig und vor so vielen Menschen erzählen?‘ Ich war seit ein paar Jahren in einer Beziehung, hielt sie aber geheim. Darum hat mich das wirklich umgehauen!

Nach der Ausbildung fing ich an, in den LES MILLS Studios in Auckland zu unterrichten. Die ersten sechs Monate fühlte ich mich, als würde ich in eine völlig neue Welt eintauchen. Bei LES MILLS waren einfach alle so frei. Alle waren einfach sie selbst. Und es gab eine sehr starke LGBTTQIA+ Community. Die Sache ist die, solange du dich nicht offiziell geoutet hast, lebst du hinter einer Fassade. Du bist bei allem, was du tust, selbstkritisch und stellst dich ständig bei allem, was du sagst oder tust, in Frage: ‚Könnte Person XY denken, ich sei lesbisch?‘ Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich akzeptiert und ermutigt, ich selbst zu sein. So schöpfte ich irgendwann den Mut, mich bei meiner Mutter zu outen.

Und das war alles andere als leicht. Ich habe es zwei oder drei Mal probiert. Das erste Mal lief leider nicht so gut. Sie antwortete mit den typischen Phrasen: „Du solltest vielleicht mal in die Kirche gehen. Brauchst du einen Therapeuten? Was habe ich nur falsch gemacht?“ So etwas in der Art. In anderen Worten: Sie begegnete mir mit totaler Ablehnung. Ich habe ein paar Mal versucht, mich meiner Mutter zu öffnen, doch es passte nicht zu ihrer Vorstellung von mir, und sie wollte es nicht hören. Doch meine Sexualität ist ein wichtiger Teil meiner Identität, also versuchte ich ein letztes Mal, es ihr zu sagen. Ich war überzeugt, dass sie mich bedingungslos lieben und endlich damit einverstanden sein würde. Leider musste ich feststellen, dass ich falsch lag. Irgendwann haben wir aufgehört, darüber zu reden und es wurde unter den Teppich gekehrt. Eine Weile sprachen wir überhaupt nicht mehr miteinander.

Erst, als bei ihr Krebs diagnostiziert wurde, näherten wir uns wieder an. Bis zu diesem Zeitpunkt war ihre Ablehnung meiner sexuellen Orientierung gegenüber das Schlimmste in meinem Leben. Die Krebsdiagnose hat das nochmal übertroffen. Als Medizinerin konnte ich den Verlauf ihrer Krankheit ganz gut einschätzen – was einerseits nützlich war, andererseits auch nicht. Jedenfalls waren wir gezwungen, wieder eine Beziehung zu führen. Aber wir haben nie über mein Coming-out gesprochen oder uns damit versöhnt. Sie verstarb eineinhalb Jahre nach ihrer Diagnose. Und das war mit Abstand das Schlimmste, was ich je durchmachen musste. In den letzten Jahren hatte ich sehr mit meiner Trauer zu kämpfen. Ich habe keine anderen Familienmitglieder in der Nähe. Ich habe nur mich selbst.

Ich weiß nicht, ob ich ohne Gruppenfitness so zufrieden mit mir wäre, wie ich es jetzt bin. Ich glaube nicht, dass ich mich jemals frei gefühlt hätte, so zu mir zu stehen und die Person zu sein, die ich immer sein wollte. Ich liebe die Person, die ich jetzt bin. Ich liebe die Person, die ich bin, wenn ich unterrichte.

Das alles muss eine große Herausforderung für dich gewesen sein. Wie hast du das geschafft?

AL: Es war wirklich viel. Ich war 26, als meine Mutter die Diagnose erhielt. 28, als sie starb. Ich hatte keine erwachsenen Menschen um mich herum, die mir gezeigt hätten, wie ich meine Trauer verarbeiten kann. Ich habe keine Geschwister, mit denen ich mein Leid teilen kann. Und obwohl meine Freunde mich super unterstützt haben, glaube ich nicht, dass sie es ganz verstehen. Ein Elternteil zu verlieren, gehört zu den Dingen, die man nicht nachvollziehen kann, solange es einen selbst nicht betrifft. Hättest du mich vor einem Jahr danach gefragt, hätte ich mich wahrscheinlich verstellt und gesagt, dass alles in Ordnung ist. Aber es war wirklich eine dunkle Zeit in meinem Leben, und ich fange gerade erst an, sie zu überwinden.

LES MILLS hat mir sehr dabei geholfen, diese Zeit zu überstehen. Meine Classes haben mir eine Routine gegeben und mich daran erinnert, dass ich immer noch einen Sinn im Leben habe. Das Beste am Unterrichten sind die Menschen, die du triffst, die Gemeinschaft. Die meisten Freund*innen, die mich in den letzten Jahren unterstützt haben, habe ich über LES MILLS kennengelernt. Ich werde immer dankbar dafür sein, dass mich diese Menschen dazu ermutigt haben, ich selbst zu sein. Man könnte sagen, dass sie meine „Wahlfamilie“ sind. Ich weiß nicht, ob ich ohne Gruppenfitness so zufrieden mit mir wäre, wie ich es jetzt bin. Ich glaube nicht, dass ich mich jemals frei gefühlt hätte, so zu mir zu stehen und die Person zu sein, die ich immer sein wollte. Ich liebe die Person, die ich jetzt bin. Ich liebe die Person, die ich bin, wenn ich unterrichte. Das ist die Version von mir, die ich am meisten liebe. Und ich glaube wirklich, dass das Unterrichten einen großen Einfluss hat, denn es gibt mir die Möglichkeit, anderen zu helfen. Menschen kämpfen mit allen möglichen Dingen hinter verschlossenen Türen. Und alles, was wir alle wirklich wollen, ist, uns frei auszudrücken.

Du bist Teil des neuseeländischen TAP-Teams und regelmäßig in den Masterclasses als Presenterin zu sehen. Welche Tipps hast du für andere, die es dir gleichtun wollen?

AL: Hab Geduld. Fortschritt braucht Zeit. Menschen tauchen nicht einfach auf magische Weise in der Masterclass auf und sind großartig. Die meisten Leute, die du siehst, arbeiten schon seit acht, neun, zehn Jahren an ihren Skills und lernen immer noch dazu! Es braucht Zeit.

Mein Ansatz wäre: Arbeite an einer Sache, die dir wichtig ist. Arbeite eine Zeit lang daran, bis du das Gefühl hast, dass du etwas erreicht hast. Dann suche nach Möglichkeiten, dich weiterzuentwickeln. Finde eine*n Mentor*in. Sende ein Grade Review ein und finde heraus, auf welchem Level du nach LES MILLS Qualification bist. Bitte TAPs um Feedback. Es kann super hilfreich sein, eine Außenperspektive zu bekommen. Dann nimm dir eine Sache nach der anderen vor.

Wenn sich dir die Möglichkeit bietet, dich weiterzubilden, dann greif zu. Wenn du eingeladen wirst, dich fürs TAP-Team oder eine andere Möglichkeit zu bewerben, dann tu es. Manchmal hält uns unser eigenes Ego, die Angst vor Ablehnung, der Wunsch, perfekt zu sein, Zweifel und Unsicherheiten oder etwas ganz anderes zurück. Aber wenn du nicht fragst, wird die Antwort zwangsläufig ‚Nein‘ lauten. Und hey, selbst wenn es ein Nein ist, ist das in Ordnung. Vielleicht bist du einfach noch nicht so weit, aber das heißt nicht, dass sich das in Zukunft nicht ändern kann. Vertraue darauf, dass sich deine harte Arbeit auszahlen wird und du zum richtigen Zeitpunkt so gut sein wirst, dass die Leute dich nicht mehr ignorieren können.

Am Ende des Tages ist der Weg das Ziel. Lass dich darauf ein. Du entwickelst dich als Person weiter und ob es dir bewusst ist oder nicht, du beeinflusst das Leben vieler Menschen. Ein Satz, den ich sehr mag, ist ‚Replace nervous with service‘ – das bedeutet so viel wie ‚Überwinde deine Nervosität und sei für andere da.‘ Wenn du an dem Punkt bist, an dem du dich nicht mehr so sehr mit dir selbst beschäftigst, an dem du ein starkes Fundament geschaffen hast, auf das du dich stützen kannst, und an dem du in der Lage bist, anderen etwas zu geben – dann ist das oft der Zeitpunkt, an dem sich die ersten Chancen bieten.

Wer sind deine Vorbilder im Fitnessbereich (LES MILLS oder anderweitig)?

AL: Ich schaue zu Leuten auf, die eine starke Arbeitsmoral haben, weil ich glaube, dass harte Arbeit immer wichtiger ist als Talent. Deshalb finde ich Menschen wie Mat Fraser und Kobe Bryant sehr inspirierend. Wenn es um Gruppenfitness geht, sind meine beiden Vorbilder Glen und Gandalf.

Am Anfang meiner Reise war es Glen, weil ich nicht besonders selbstbewusst war, vor allem, wenn ich vor Leuten sprach. In einer Gruppe habe ich mich immer im Hintergrund gehalten und war die stille Beobachterin. Glen ist auch eher zurückhaltend. Er ist ein ruhiger Mensch. Aber auch wenn er ruhig ist, ist er selbstbewusst und hat eine unglaublich starke Präsenz. Und das ist etwas, was ich unbedingt von ihm lernen wollte. Außerdem hat er eine beeindruckende Arbeitsmoral und ein starkes Selbstbewusstsein, was mich sehr inspiriert.

Auch Gandalf ist großartig! Er unterrichtet eine großartige Class, schafft Erlebnisse, ist ein beeindruckender Tänzer, fesselnd, super lustig, kreativ, originell, und vieles mehr. Aber was ich wirklich, wirklich, wirklich an ihm bewundere, ist, wie originell und frei er sich selbst ausdrückt. Er ist so unkonventionell! Er ist authentisch und macht einfach das, was er liebt. Und das finde ich super inspirierend. Und weil er so unverblümt er selbst ist, gibt er den Menschen in seiner Class die Erlaubnis, dasselbe zu tun. Gandalf ist ein Meister im Connecting! Ich hoffe, dass ich den Menschen in meinen Classes ein genau so positives Gefühl mitgeben kann.

Du bist nicht nur Instruktorin, sondern arbeitest auch als Ärztin. Wie ergänzen sich deine beiden Jobs?

AL: Gruppenfitness hat mich insgesamt weitergebracht, vor allem in der Notaufnahme, wo ich mit Menschen aus allen Lebensbereichen zu tun habe. Du lernst, wie du mit Menschen umgehst, wie du mit ihnen sprichst. Wenn du Medizin studierst, vor allem, wenn du direkt von der High School kommst, bist du sechs Jahre lang in einer Bubble. Am Ende hast du zwar medizinisches Wissen erworben, aber du verlierst einen Teil deiner sozialen Fähigkeiten. Ich sehe junge Ärztinnen und Ärzte, die mit Anfang zwanzig ins Krankenhaus kommen und keinerlei Feingefühl für andere Menschen haben. Das Unterrichten hat mich auch mehr über mich selbst als Person gelehrt. Wir bekommen wunderbare Gelegenheiten wie das Advanced Training, bei dem wir unser ‚Warum‘, unseren Lebenssinn und unsere Werte erforschen können. Darüber sprechen wir in der Medizin überhaupt nicht.

Umgekehrt glaube ich, dass ich als Ärztin nochmal mehr zu schätzen weiß, was wir als Instruktor*innen bewirken. Im Krankenhaus habe ich oft eher mit Dingen zu tun, die mich runterziehen. Die Arbeit ist nicht immer erfüllend, weil du nicht immer sicher sein kannst, ob du im Leben der Menschen etwas veränderst, oder ob du nur ein Mittel zum Zweck bist. Als Instruktor*in schenkst du den Leuten Selbstvertrauen. Du verhilfst ihnen zu einem gesünderen Leben. Class für Class gibst du ihnen den Raum und die Möglichkeit, über sich selbst hinauszuwachsen. Du gibst ihnen die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, damit sie in ihrem Alltag erfolgreich sein und ihr Bestes geben können.

Viele Menschen sind oft mehr von meiner Arbeit als Ärztin beeindruckt, aber ehrlich gesagt bin ich am stolzesten auf die Arbeit, die wir bei LES MILLS machen. Wir tun eine Menge Gutes in der Welt. Wir bringen Menschen in Bewegung und halten sie gesund. Wir geben den Menschen das Gefühl, akzeptiert zu werden. Wir geben den Menschen das Gefühl, dazuzugehören. Wir ermutigen sie, sie selbst zu sein. Das sind alles Dinge, die Menschen brauchen, um glücklich zu sein. Es ist ein absolutes Privileg, das tun zu können, und gibt mir das Gefühl, wirklich etwas zu bewirken.

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