„ICH BIN DER LETZTE, DER SAGEN WÜRDE, DASS ICH ALLES RICHTIG MACHE“

Du kennst ihn aus den BODYPUMP und BODYCOMBAT Masterclasses, du folgst ihm auf Instagram, aber was weißt du wirklich über unseren Ambassador Marlon Woods? Gerade zurück vom Videodreh haben wir uns mit ihm getroffen, um mit ihm über Feedback, Misserfolge und seine zukünftige Präsidentschaft zu sprechen.

SARAH SHORTT:

Hallo Marlon! Du bist derzeit an einer Hochschule in Sydney eingeschrieben. Das ist jetzt dein dritter Master, oder?!

MARLON WOODS:

[Lacht] Ja, ich bin von Beruf Student. Jedes Mal, wenn ich meinen Abschluss mache, denke ich, das war's und dann sechs Monate später sitze ich wieder in der Uni.

Allerdings war mein Studium in Australien nicht Teil meines ursprünglichen Plans. Ich hatte mein ganzes Leben durchgeplant, praktisch Schritt für Schritt bis zu meiner Präsidentschaft 2036. Bis zur Eröffnung meines eigenen Fitnessstudios 2016 verlief auch alles nach Plan. Ich habe jeden Abschnitt meines Lebens abgehakt: Schule, Bachelor, Master, Militärdienst, Beruf… Ich habe alles geschafft, was ich mir vorgenommen hatte und der nächste Schritt war, für das Amt des Gouverneurs in Cincinnati zu kandidieren. Aber dann eröffnete ich mein Fitnessstudio in Augusta, was die Dinge etwas verzögerte. Später traf ich meine Freundin (Felicity) und zog nach Australien. Somit musste ich meine Präsidentschaft auf 2044 verschieben.

Wenn die Leute fragen: Was möchtest du tun? Sage ich: Ich will Präsident werden! Und das ist mein voller Ernst.

Woher nimmst du deine Motivation?

Das soll jetzt hier keine Therapiesitzung werden, aber ich habe von meinem Vater niemals irgendeine Art von Anerkennung bekommen. Es war mir damals nicht bewusst, aber diese Tatsache hat in mir dieses Verlangen nach Erfolg geweckt, um es anderen zu beweisen. Mein Vater fand mehr lobende Worte für meine Freunde und Cousins als für mich, also wurde ich besessen davon, so viele Menschen wie möglich zu übertreffen. Im Sport war ich wirklich gut, aber da ich relativ klein war, wusste ich, dass das nicht der richtige Weg sein würde. Also dachte ich: Nun, wenn ich das nicht kann, dann muss ich eben 15 andere Dinge sehr gut können. Ich änderte meine Einstellung: Sei ein Multitalent, aber kein Meister in allen Disziplinen. Ich möchte lieber fünf Dinge gut machen, als Experte in nur einer Sache zu sein. Ich denke, meine Vielseitigkeit ist eine meiner größten Stärken.

Meine Eltern waren nicht sehr wohlhabend. Also hatte ich als Kind nicht viel, habe mir aber geschworen, dass ich für mich eine bessere Zukunft möchte. Ich hatte eine Vorstellung davon, wie ich mein Leben gestalte, und so wollte ich mir so viele Türen wie möglich offenlassen. Diese Besessenheit wird umso schlimmer, je älter ich werde. Und je älter ich werde denke ich: Ok, cool, ich hatte diese vier Jobs, ich habe diese zwei Abschlüsse, ich kann sieben verschiedenen Sachen richtig gut, aber das reicht mir immer noch nicht… Mein Lebenslauf liest sich wie ein Jobkatalog. Ich kann viele verschiedene Dinge und darauf bin ich sehr stolz.

Wenn es dir so wichtig ist, der Beste zu sein, wie gehst du dann mit Misserfolgen um?

Ich kann mit Misserfolgen nicht sehr gut umgehen. Das letzte Mal, das ich etwas nicht geschafft habe, war vor sieben Jahren. Ich legte einen Test ab, um als Beamter für das US-Außenministerium arbeiten zu können und ich verfehlte die Mindestpunktzahl um zwei Punkte. Das war für mich ein Schlag ins Gesicht und hat mich über Monate hinweg beschäftigt: Wie konnte mir das nur passieren? Was glaubst du, was du da tust? Du musst dich jetzt wirklich anstrengen und die fünf anderen Dinge noch besser beherrschen, um dieses Versagen auszugleichen. Ich denke bis heute noch darüber nach und erinnere mich noch haargenau daran, wie ich mich bei diesem Misserfolg gefühlt habe, wo ich war, was für Klamotten ich anhatte… es hat mir sehr zu schaffen gemacht.

Das kommt mit Sicherheit von dem Gefühl, dass ich schon in meiner Kindheit den Erwartungen meines Vaters nicht gerecht werden konnte und dass ich von ihm bis heute keine Anerkennung bekommen habe. Meine Erfolge werden einfach ignoriert und als ich aufwuchs habe ich miterlebt, dass jede Person, die er lobte, eigentlich nicht den Ansprüchen gerecht wurde, die sie eigentlich haben sollte. Ich habe darauf gewartet, dass er sagt: Ich hätte dich wirklich unterstützen sollen und ich bin wirklich stolz auf das, was du erreicht hast und das habe ich bis heute nicht von ihm bekommen.

Nach meinem letzten Besuch, bei dem ich mit ihm gesprochen hatte, dachte ich lange nach und erkannte, warum ich all das getan habe – Ich warte darauf, dass du sagst: Ich bin stolz auf dich. Doch es kam nichts, egal was ich gemacht habe, sei es der Militärdienst, die Eröffnung meines eigenen Fitnessstudios, meine vier Studienabschlüsse, LES MILLS oder mein aktuelles Studium… nichts davon hat ihn dazu gebracht zu sagen: Ich bin stolz auf dich.

Du hast viel um die Ohren, wie bringst du all das unter einen Hut?

Meine Freundin sagt immer: Kannst du nicht einfach mal einen Gang runterschalten und das genießen, was du gerade machst? Aber ich bin schon fünf Schritte voraus mit dem Gedanken, wenn ich diese eine Sache ein Jahr lang machen kann, sammle ich genügend Erfahrung und in zwei Jahren kann ich mich mit etwas anderem beschäftigen und Professor werden. Dann habe ich vielleicht die Möglichkeit für dieses oder jenes Unternehmen zu arbeiten… Ich male mir meine Zukunft aus, mache Pläne über Jahre hinweg. Ich lebe aber nie im Moment. Ich kann mit anderen Menschen im hier und jetzt sein, aber nie mit mir selbst. Ich tue mich damit wirklich schwer.

Vor 12 Monaten sagte ich, dass ich mich in der Hochschule in Sydney einschreiben, Classes geben und einfach nur entspannt leben möchte. Innerhalb von drei Monaten habe ich das erreicht. Unmittelbar nachdem ich das geschafft hatte, verfiel ich in eine Depression, weil ich dachte, was ich tue sei nicht genug und war monatelang niedergeschlagen und frustriert. Ich habe mich etwas von der Situation distanziert, mich neu organisiert und konzentrierte mich wieder darauf. Ich war mit vollem Einsatz dabei und beschäftige mich mit zwei weiteren Dingen und noch eins und noch eins. Ich muss mir immer wieder sagen: „Jetzt ist Schluss“.

Vor ein paar Wochen war ich in einem Hotel in Melbourne, lag auf dem Bett und dachte, ich tue nicht genug für die Welt. Also habe ich mich für zwei Jobs in der internationalen Entwicklung beworben, um mit benachteiligten Bevölkerungsgruppen zu arbeiten. Meine Freundin fragte mich: Wie geht es dir? Ich sagte: Ich weiß nicht, ich fühle mich so, als würde ich nicht genug tun, nicht genug verändern, nicht genug bewegen.

Mein Ansporn ist, keinesfalls in Trägheit zu verfallen. Der Gedanke, untätig zu sein, gibt mir ein Gefühl der Unsicherheit und dieses Gefühl veranlasst mich dazu, schlechte Dinge zu tun, z. B. mich um einen Job bewerben oder andere Dinge, die nicht mit meinen Werten übereinstimmen. Es hilft zwar, sich diesen Ansporn ins Bewusstsein zu bringen, aber es ist dennoch schwer, damit aufzuhören. Es klingt echt seltsam, aber es ist wie eine Droge. Ich bin auf diesem Trip und will einfach machen, machen, machen… Ich kann nicht nur vier Jobs haben und nur diese vier Jobs machen, ich brauche einen weiteren, um den Einsatz zu erhöhen. Es ist wichtig, dass ich die Dinge, die ich jetzt tue, einfach genieße und erkenne, dass sie großartig sind. Ich bin der letzte, der sagen würde, dass alles, was ich tue, super ist. Ich denke: Nein, Marlon, du musst die Messlatte höher legen.

Wie hat sich deine Erfahrung mit Misserfolgen auf die Art und Weise ausgewirkt, wie du mit Feedback umgehst?

Misserfolge gaben mir das Gefühl, grundsätzlich nicht gut genug zu sein. Anstatt zu denken „Marlon hat einen Test nicht bestanden“ dachte ich „Marlon ist ein Verlierer“ und das hat mich viel ängstlicher, aber auch beharrlicher gemacht, damit ich nie wieder bei etwas versage. In gewisser Weise wurden dadurch meine Arbeitsmoral und mein Ehrgeiz auf ein Höchstniveau gepusht, obwohl es von etwas Unerfreulichem initiiert wurde.

Als ich anfing Classes zu geben und Feedback für meinen Unterricht zu bekommen, musste ich mich zusammenreißen. „Du willst mir sagen, das war nicht perfekt?“ Ich messe allem, was ich tue, Bedeutung bei wegen dieses einen Tests von damals und als ich mein erstes Feedback bekam, war ich besorgt, verunsichert und angespannt. Je mehr Feedback ich mit der Zeit erhielt, wurde mir klar, dass ich mich persönlich von meiner Präsentation distanzieren muss.

Ich hatte ein Gespräch mit Kylie Gates während des letzten Filmings, in dem es darum ging, an Dingen festzuhalten und dass ich versuchen sollte, mich von dem Auftritt zu distanzieren. Das hat mir geholfen, Feedback nicht so persönlich zu nehmen. LES MILLS hat mir wirklich geholfen, etwas Raum zwischen mir und meinen Erfolgen und Misserfolgen zu schaffen.

Es wäre kein gutes Interview, wenn ich dich nicht nach Instagram fragen würde! Du postest auf eine bestimmte Art und Weise. Ich schätze, du bist dir ganz bewusst, wie du auf Social Media auftrittst?

Ich habe mir Instagram erstmals 2016 geholt, um in erster Linie mein Fitnessstudio zu promoten. Ich befasste mich mit Bodybuilding und Powerlifting, also postete ich standardmäßig Bodybuilding- und Fit-Fam-Material: Gewichte heben, Workouts, 7-Tage-Pass, „schaut her, meine Bauchmuskeln“ bla bla bla… aber das passte eigentlich gar nicht zu mir. Als ich unterrichtete, übernahm ich den LES MILLS Standard und postete Ausschnitte aus meiner Class, mein Sportoutfit… aber das war auch nicht ich.

Schließlich wollte ich Social Media wirklich ernst nehmen. Was mag Marlon? Wer ist Marlon? Und ich dachte mir, naja, Marlon ist ein lustiger Typ. Also postete ich lustige Dinge, Sketche und kreierte eine Reihe von verschiedenen Charakteren. Für eine Weile war das echt cool, aber irgendwann fühlte ich mich wie ein Clown und in dieser Rolle verstrickt. Daraufhin hatte ich keine Lust mehr, Videos zu machen.

Jetzt geht es mir um eine reine positive Einstellung. Ich poste motivierende und inspirierende Dinge, die meine Gedanken widerspiegeln. Wenn jemand etwas in meinem Profil liest, möchte ich, dass es eine positive Wirkung auf ihn hat.

Was hat das Unterrichten für dich gebracht?

Das Wichtigste für mich ist die Tatsache, dass Leute die Arbeit pünktlich verlassen, sich im Auto umziehen, durch das Fitnessstudio hetzen.... nur um zu meiner Class zu kommen. Zeit ist die unersetzlichste und begehrteste Ressource, die wir haben, also ist es eine Riesensache, wenn jemand dir seine Zeit schenkt. Wenn ich auf der Bühne stehe, werde ich mein Bestes geben, denn das könnte seine einzige Stunde in der Woche sein, um zu trainieren. Es gibt mir nicht das Gefühl, wichtig zu sein, sondern das Gefühl, dass ich mich für die Erfüllung des Fitnesserlebnisses verantwortlich fühle. Ich bin diesen Leuten gegenüber verantwortlich, die mir ihre Zeit schenken.

Ich liebe es auch zu unterrichten, weil es mich zwingt, eine Stunde lang im Hier und Jetzt zu sein. Wenn ich im Unterricht bin, kann ich mich auf nichts anderes konzentrieren und ich liebe es. Als ich mein Fitnessstudio eröffnete, war ich vollkommen pleite, und ich verfiel in eine Depression. Die Class war meine Atempause von allem, weil ich an nichts anderes denken konnte. Ich ging während dieser Zeit in meinem Unterricht richtig auf, weil ich präsent sein konnte, und sobald der Unterricht vorbei war, war ich echt wehmütig, weil ich in die Realität zurückkehren musste. Das waren einige der besten Kurse, die ich je unterrichtet habe, denn ich war präsent und ich erkannte, was es für mich bedeutete. Und so habe ich das genutzt, um zu erkennen, was es für andere Menschen tun kann. Die menschliche Verbindung ist etwas Mächtiges.

Marlon Woods ist ein Les Mills Ambassador, der BODYCOMBAT, BODYPUMP und LES MILLS TONE unterrichtet. Derzeit lebt er in Sydney, Australien, wo er als Doktorand in Sozialpsychologie an der University of Sydney studiert. Folge Marlon auf Instagram.