Hallo Herb. Erzählst du uns von deiner Karriere?
Ich bin in Iowa, USA, aufgewachsen und habe dort den ersten Teil meiner Karriere als professioneller Tennistrainer in verschiedenen Studios Mitte bis Ende der 70er Jahre verbracht. In einem davon wurde der Manager entlassen und der Besitzer sagte: „Die Mitglieder mögen dich, warum wirst du nicht Manager?“ Das war der Beginn meiner Karriere als Studiomanager. Danach war ich für längere Zeit in erstklassigen Studios in Denver und Las Vegas tätig, bevor ich vom Houstonian Club in Houston, Texas, angeworben wurde, der damals zu den prestigeträchtigsten Jobs in den USA gehörte. Dort war ich 13 Jahre lang tätig und habe die letzten fünf Jahre damit verbracht, Mehrzweck-Studios im gesamten VillaSport-Gebiet zu managen. Jetzt stehe ich vor meinem nächsten Abenteuer als VP und General Manager des Riverbend Club und des The Reserve at Lake Travis in Austin, Texas. Nebenbei habe ich auf Konferenzen und Tagungen rund um den Globus gesprochen und zwei Bücher geschrieben, darunter mein neuestes Werk: Caring (The Sequel).
Wie würdest du Caring (The Sequel) in einem Elevator Pitch beschreiben?
Es ist die Fortsetzung meines ersten Buches Caring, das ich vor 35 Jahren geschrieben habe und das ein sehr einfacher Leitfaden für die Führung eines erfolgreichen Fitnessstudios war, der auf allem basierte, was ich gelernt hatte. In diesem Buch – in das weitere 35 Jahre Erfahrung eingeflossen sind – geht es viel mehr darum, wie man effektiver mit Menschen umgehen kann, und das ist wirklich der Kern aller großen Herausforderungen, denen wir in der Fitnessbranche gegenüberstehen. Es geht also darum, wie du mit deinem Team zusammenarbeitest, wie du mit den verschiedenen Mitgliedern und den damit verbundenen Herausforderungen umgehst, wie du mit verschiedenen Arten von Eigentümern und Vorgesetzten umgehst und wie du mit deinen Lieferanten umgehst. Und weil ich schon so lange in so vielen verschiedenen Rollen tätig bin, habe ich praktisch jede Situation erlebt, die du dir vorstellen kannst. In diesem Buch ist für jeden etwas dabei, vom Fitness-Neuling bis hin zum erfahrenen Studiobesitzer.
Was bedeutet „Caring“ für dich?
„Caring“ (Englisch für „Fürsorge“) ist in allen Bereichen der Fitnessbranche von zentraler Bedeutung und die wichtigste Eigenschaft, um voranzukommen und erfolgreich zu sein. Das gilt für alle Gruppen von Mitgliedern. Du musst dich aufrichtig darum kümmern, wie deine Mitglieder behandelt werden. Du musst dich darum kümmern, wie deine Angestellten behandelt werden und wie sie sich bei ihrer Arbeit fühlen, mit der sie so viel Zeit verbringen. Und du musst dich darum kümmern, ob die Betreiber stolz auf das Studio sind, ob der Ruf gut ist und ob die Finanzen stimmen. Und wenn du das nicht tust – wenn es nur ein Job ist, bei dem du versuchst, dein Gehalt und den ein oder anderen Bonus zu verdienen – wird sich das schnell zeigen. Es muss dir am Herzen liegen und es muss echt sein. Ohne diese Eigenschaft wird es dir schwerfallen, nachhaltigen Erfolg zu haben. Doch wenn du dich darauf fokussierst, sind dir keine Grenzen gesetzt.
Was sind die wichtigsten Lektionen deines Buches für alle, die eine Karriere im Fitnessbereich anstreben?
Du musst authentisch sein. Es gibt kein richtig oder falsch, du musst einfach du selbst sein. Nimm zum Beispiel den Sport: Es gibt viele verschiedene Trainer mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und Herangehensweisen, aber sie alle haben ein starkes Gespür dafür, wer sie sind und wofür sie stehen.
Die wichtigste Art und Weise, wie du zeigst, wer du bist, ist dein Umgang mit Menschen und du musst Menschen lieben, wenn du in diesem Geschäft erfolgreich sein willst. Der Schlüssel ist, zu verstehen, dass jeder Kollege und jedes Mitglied die Welt auf seine/ihre Weise sieht. Es geht nicht so sehr darum, demografische Daten zu verstehen, sondern eher psychografische Daten – was interessiert die Menschen und was verbindet sie wirklich mit ihrem Studio? Jedes Studio hat ein vielfältiges Netzwerk von Communities, die alle unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche haben. Deshalb musst du ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen an den Tag legen, um zu verstehen, was sie von dir erwarten.
Hier gibt es keine Abkürzungen, du musst dich wirklich anstrengen und deine Zielgruppen kennen. In dem Buch spreche ich viel über die Bedeutung von MBWA („Managing By Wandering Around“). In einer Welt, in der wir von Kennzahlen und Daten regelrecht überflutet werden, kann es schnell passieren, dass wir von morgens bis abends an den Computer gefesselt sind. Als Führungskraft musst du aber sichtbar sein und sicherstellen, dass du in den Spitzenzeiten im Studio präsent bist, dich mit den Leuten unterhältst und zeigst, dass sie dir wichtig sind.
Deine Karriere umfasst die gesamte Zeit, in der die Fitnessbranche erwachsen wurde. Was sind die größten Veränderungen, die du in den letzten 45 Jahren erlebt hast?
Die offensichtliche Entwicklung hat im Bereich Technologien stattgefunden. Heutzutage tracken Menschen praktisch alles, was sie tun. Das hat sich auf alle Bereiche von Fitnessstudios ausgewirkt, vom Equipment über die Managementprozesse bis hin zu der Tatsache, dass Mitglieder jetzt bei uns trainieren können, ohne überhaupt im Studio zu sein. Was sich jedoch in 45 Jahren nicht geändert hat, ist der starke Wunsch der Mitglieder, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen – und dieser Wunsch hat sich seit dem Ausbruch der Pandemie noch verstärkt. Wenn du mit Mitgliedern sprichst, merkst du, wie sehr sich diese Verbindung auf ihr mentales Wohlbefinden auswirkt. Wenn du Menschen dazu verhilfst, Freunde in deinem Studio zu finden, ist es sehr unwahrscheinlich, dass er oder sie dich verlässt.
Wie hilfst du Menschen, diese Verbindungen im Club herzustellen?
Gruppenfitness ist hierfür die wichtigste Grundlage dafür. In den Studios, die ich im Laufe der Jahre geleitet habe, waren Gruppenfitnesskurse der wichtigste Faktor für den Verkauf von Mitgliedschaften und ein fantastischer Weg, um Verbindungen zwischen den aktuellen Mitgliedern zu knüpfen. Und nicht nur das: Es ist auch eine gute Möglichkeit, Mitglieder zu werben, vor allem über die sozialen Medien. Seien wir mal ehrlich, die Leute gehen nicht auf Facebook oder Instagram, um über ihr Lieblingslaufband oder ihr Fitnessgerät zu reden, sondern um von dem tollen Kurs zu schwärmen, den sie gerade mit einem fantastischen Instruktor gemacht haben, und um ihr verschwitztes Sieger-Selfie zu teilen. Es ist ein großartiger Antrieb für die Bekanntheit von Studios und der Schlüssel zur Mitgliedergewinnung.
Und was macht gute Instruktoren aus?
All die Dinge, die einen großartigen Instruktor ausmachen, wie z. B. Fürsorge und echte Menschenliebe, aber darüber hinaus würde ich sagen, dass Enthusiasmus ein sehr wichtiger Charakterzug ist. Ich habe im Laufe der Jahre mit Tausenden von Instruktoren zusammengearbeitet, aber die Rockstars, an die ich mich immer noch erinnere, hatten diese besondere Anziehungskraft, die dafür sorgte, dass die Menschen, die mit ihnen im Raum waren, die beste Zeit hatten. Echter Enthusiasmus ist entscheidend, ebenso wie die Fähigkeit, sich mehr um die Teilnehmer und das Studio zu kümmern als um sich selbst. Selbstbewusstsein ist toll, aber sei keine Diva. Der Schlüssel zu einem Umfeld, in dem sich alle willkommen fühlen und glänzen können, liegt darin, dass die Instruktoren Teil der Struktur des Studios sind und sich als Teil eines Teams fühlen.
Was sind die größten Herausforderungen, mit denen Betreiber heute zu kämpfen haben und bei denen du ihnen helfen möchtest?
Eines der größten Probleme im Moment ist ein makroökonomischer Trend, nämlich der weltweite Arbeitskräftemangel. Für Studios wird es immer schwieriger, gute Leute zu finden – vor allem Ausbilder – und das drückt auf die Margen, da die Löhne immer weiter steigen. Da die Arbeitskosten für jede Person, die eingestellt wird, immer höher werden, sehe ich dies als eine große Chance für Studios, ihre Rekrutierungsstrategie neu zu gestalten und die besten Leute zu finden, die sie in ihrem Markt und Segment finden können. Das mag kurzfristig etwas mehr kosten, aber in einer Branche, in der die Menschen im Mittelpunkt stehen, hebt sich ein Studio von der Konkurrenz ab, wenn es großartige Mitarbeiter und Rockstar-Instruktoren hat. Die Mitarbeiter sind ein Alleinstellungsmerkmal, das die Konkurrenz nicht kopieren kann – es lohnt also, die besten Mitarbeiter zu rekrutieren.
Die Bezahlung eine Sache, aber eine großartige Unternehmenskultur zu schaffen, eine Kultur der Teamarbeit, bei der alle mit Würde und Respekt behandelt und zu Höchstleistungen angespornt werden, kostet nichts und kann ein wichtiger Anreiz sein, um Top-Talente zu gewinnen. Geld ist ein extrinsischer Motivator und viele großartige Menschen, mit denen ich im Laufe der Jahre gearbeitet habe, waren bereit, etwas weniger zu verdienen, wenn sie dafür in einem leidenschaftlichen und erfüllenden Umfeld arbeiten können, in dem sie sich entfalten können.
Und was sind die größten Chancen für Fitnessstudios nach der Pandemie?
Es geht darum, die 80 % der Bevölkerung zu erreichen, die derzeit noch nicht in Fitnessstudios trainieren. Die Pandemie hat unsere Gesundheit in den Fokus gerückt und die Menschen beginnen zu erkennen, dass sie selbst dafür verantwortlich sind, gesund zu bleiben. Jetzt liegt es an uns, aus unserem kleinen Segment auszubrechen und den Quantensprung in die breite Masse zu schaffen. Wir reden schon seit Jahren darüber, also wird es einen völlig neuen und innovativen Ansatz brauchen, um wirklich voranzukommen. Das bedeutet, dass wir kreative Wege finden müssen, um Menschen zu gewinnen, die bisher nicht mit Fitness in Berührung gekommen sind. Ob kostenlose Seminare zu Themen wie Gesundheit, Ernährung und Schlaf oder persönliche Beratungen – unsere Teams verfügen über einen großen Wissensschatz, den wir nutzen können, um neue Menschen für uns zu begeistern. Manchmal muss man einfach etwas kostenloses anbieten, um das Gespräch in Gang zu bringen. Als ich noch Tennistrainer war, habe ich den wichtigsten Einflussnehmern in jedem neuen Club, den ich betreute, kostenlose Probestunden angeboten und nach drei Monaten hatte ich mehr Kunden, als ich gebrauchen konnte. „Spekulieren, um zu akkumulieren“ ist eine wirkungsvolle Strategie, die nicht zu unterschätzen ist!
Ich glaube auch, dass die Konzentration auf das mentale und emotionale Wohlbefinden von Mitgliedern und potenziellen Mitgliedern ein wesentlicher Bestandteil der Erfolgsstrategien sein wird, die die erfolgreichsten Studiobetreiber des nächsten Jahrzehnts und darüber hinaus auszeichnen wird.
Herb Lipsman hat über vierzig Jahre gehobene Fitnessstudios, Country Clubs und Ferienanlagen in den USA geleitet. Davon war er 13 Jahre lang (1993-2006) bei The Redstone Companies in Houston tätig, zunächst als General Manager des Houstonian Club und schließlich als Senior Vice President of Development für alle Club- und Hotelanlagen des Unternehmens.
Lipsman war auch als Design- und Entwicklungsberater für den River Oaks Country Club, den Lakeside Country Club und den Houston Country Club tätig, als diese ihre Fitnesscenter vor Ort erweiterten und aufrüsteten. Von 2010 bis 2013 war er als Chief Operating Officer für The Clubs at Houston Oaks tätig und von 2013 bis 2016 als General Manager für den Golf Club of Houston, dem ehemaligen Austragungsort der Shell Houston Open der PGA Tour.
Zuletzt war Lipsman General Manager für den VillaSport Athletic Club and Spa in The Woodlands, Texas. Nun beginnt Lipsman das neueste Kapitel seiner Reise als Vizepräsident/Geschäftsführer des Riverbend Club und des The Reserve (Resort) am Lake Travis in Austin, Texas.
Außerdem hat er gerade sein neues Buch über Studio- und Hospitality-Management mit dem Titel „Caring (The Sequel)“ fertiggestellt und veröffentlicht, das wertvolle Einblicke in effektives Studio- und Gastgewerbemanagement gibt und vielfach von Branchenführern gelobt wurde.