Welchen beruflichen Background hast du, Marcus?
Eigentlich bin ich Technologe. Ungewöhnlich ist, dass ich halb Techniker und halb Geschäftsmann bin. Ich habe viel für große Technologieunternehmen gearbeitet – sechs Jahre lang war ich bei IBM, vier bei Apple. Die restliche Zeit habe ich verbraucherorienterten Marken geholfen durch Technologien eine bessere User Experience zu generieren. Mittlerweile bin ich Executive VP of Product & Technology und CTO bei National Geographic. Ich leite die Digital-Teams, die dafür verantwortlich sind, dass wir die Nummer 1 in den sozialen Medien werden.
Wie können lokale Fitnessstudios die kundenorientierten Innovationen aus dem Silicon Valley – von denen du in deiner Präsentation gesprochen hast – nutzen?
Fernab von Robotern und biometrischen Scannern wird der wahre technologische Fortschritt in den nächsten Jahren sicherlich aus der klassischen Business-as-usual-Technologie entwickelt werden. Individualisierung ist etwas, das sehr wichtig ist. Das kann von personalisierten E-Mails bis zu maßgeschneiderten Inhalten alles bedeuten. Auch die mobilfreundliche Ausrichtung ist sehr wichtig – bis zu 70 Prozent der Internetnutzung läuft heute über mobilen Traffic. Das darf man nicht vergessen.
Was müssen Fitnessstudios tun, um im digitalen Bereich wie mit You-Tube-Workouts wettbewerbsfähig zu bleiben?
Ich denke, Menschen über digitale Inhalte zu erreichen, ist wichtig, um präsent zu bleiben. Aber letztendlich sind zwischenmenschliche Kontakte ausschlaggebend. Bei You-Tube etwas anzusehen, ist sehr unpersönlich im Gegensatz zu einem Workout in einem echten Kursraum. Daher müssen Fitnessstudiobetreiber sich immer vor Auge halten, was ihre Kunden brauchen und wo die Vorteile eines Studios liegen.
Was kann die Fitnessbranche von anderen Branchen lernen?
Hier komme ich auf die Personalisierung zurück – manche Unternehmen haben immensen Erfolg mit der Umgestaltung ihres Website-Interfaces und nutzen Chatbots, die von einer künstlichen Intelligenz gesteuert werden, um schneller zu reagieren. Nehmen wir zum Beispiel Icelandair, die für ihre Suche und Buchung im Facebook-Messenger Chatbots nutzen. Ich glaube, es gibt viel Potential diese Chatbots einzusetzen. Du fragst, “Welche Classes sind heute verfügbar?”, kriegst eine Liste und antwortest, “Gut, dann buche mir heute die BODYPUMP-Class um 18 Uhr.” So etwas muss nicht viel kosten. Das ist technisch nicht wahnsinnig aufwendig, aber stärkt die Kundenbindung.
Was sind die wichtigsten Keyfacts, die Studiobesitzer über das Verhalten von Millennials bzw. der Generation Z wissen sollten?
Mobile first – die Generation Z und Millennials haben keine Zeit, um sich vor einen großen Computerbildschirm zu setzen. Wenn du sie mobil nicht erreichst, kannst du es vergessen. Der zweite Punkt ist, dass sie normalerweise keine E-Mails lesen oder auf Websites gehen– sondern Social Media nutzen. Du musst bei Snapchat, Facebook oder Instagram sein, um sie individuell zu erreichen. Finde also einen Weg, um diese Plattformen in deine Businessstrategie einzubinden. Interessant ist auch, dass sie kein Geld für Sachen ausgeben, die sie zu sehr an etwas binden. Das ist die Airbnb- und Uber-Generation. Sie wollen keine Dinge besitzen und auch keine Abonnements abschließen. Auf die Fitnessbranche bezogen, bedeutet das, man muss unterschiedliche Preismodelle für diese Leute anbieten können, zum Beispiel nur so viel zu zahlen, wie man auch nutzt. Diese Leute verpflichten sich nicht gerne, haben Geld nicht im Überfluss – aber es sind sehr viele.
Es gibt häufig Diskussionen darüber, ob Roboter die Jobs von Menschen übernehmen. Wenn Fitnessstudiobetreiber ihre Mitarbeiter von einfachen Aufgaben abziehen würden, wie sollten sie diese in Bezug auf verbesserte Customer Experience einsetzen?
Es ist eine gute Gelegenheit, um die Aufgaben individuell zu stärken – du kannst Mitarbeiter von niederen Arbeiten aufgrund der Nutzung von Technologien befreien. Ich könnte mir vorstellen, dass in fünf Jahren ein Roboter das Equipment meines Studios reinigt, aber keine BODYCOMBAT-Class leitet. Ich bin zwar Technologe, aber einem Roboter würde ich meine Class nicht anvertrauen. Ich würde immer einem Menschen, der auf mein Feedback reagieren kann, mehr trauen als einem automatisierten Gerät. Aber Automatisierung kann auch als Werkzeug genutzt werden und helfen, dass Mitarbeiter einen besseren Job machen. Vielleicht haben sie die Daten ihrer Teilnehmer auf einem iPad und wenn diese ankommen, weiß der Trainer genau, wann sie das letzte Mal da waren und was sie im Studio gerne machen. Diese Informationen zu nutzen, hilft Mitarbeitern ihren Teilnehmern viel bessere Customer Experiences zu bieten.
Welchen Einfluss wird Automatisierung auf die Bedeutung von Wohlfühlen haben und darauf, dass Menschen schnellen Zugang zu Gesundheitsservices erhalten?
In fünf Jahren wird es weniger Menschen geben, die einfache Tätigkeiten ausüben. Potentiell gibt es dann mehr freie Zeit. Ich glaube, die Idee sich mehr auf Gesundheit und Fitness konzentrieren zu können, ist aufregend. Der Nachteil ist, dass sich viele Jobs verändern oder wegfallen. Das bedeutet, dass weniger Geld zu Verfügung steht und wir vor der Herausforderung stehen, bestehende Gesellschaftsstrukturen umzudenken. Ich glaube, für die Fitnessbranche stellt sich die Frage, wie kann ich eine große Menge an Menschen mit Zeit und wenig Geld ins Studios bekommen? Und gibt es ein Modell, das Sinn ergibt? Keiner von uns will, dass es weniger Jobs gibt, aber wir müssen akzeptieren, dass es verschiedene Jobs geben muss, damit Unternehmen agiler reagieren können.
Tragbare Technologien/Wearables – Modeerscheinung oder eine Änderung der Spielregeln in der Fitnessbranche?
Ich würde sagen, dass Wearables gerade erst in der ersten Phase sind, in der wir sehen, was möglich ist, wenn Menschen Technologien integrieren. In dieser Woche gibt es den ersten Versuch mit schluckbaren Geräten, mit denen man – sehr akkurat – aufgenommene Kalorien zählen plus die Inhaltsstoffe des Essens ermitteln kann. Das ist möglicherweise die Zukunft der Technologie, in der Menschen bewacht werden. Tragbare Technologien – FitBit und ähnliche – ist also die erste Phase, aber nun kann man diese Technologien in Ringe integrieren und bald werden wir sehen, dass Technologie kaum mehr sichtbar sein wird – und ich glaube, dass dann mehr Leute diese nutzen werden. Wenn es mehr Möglichkeiten gibt, Technologien in unseren Alltag zu integrieren, dann verbessert das die Zusammenarbeit mit Personal Coaches, die für uns einen besseren Job leisten können. Aber wir stehen noch am Anfang. Es wird noch viel Aufregenderes geben.
Studiobesitzer werden mit Unmengen an technologischen Lösungen konfrontiert. Gibt es etwas, worauf sie verzichten können?
Ich weiß, dass die automatische Erkennung von Studiobesuchern großes Interesse weckt. Du kommst herein und eine Maschine sagt: „Ah, das ist Dave. Super, wir wissen, dass Dave groß und sehr muskulös ist. Lass uns die Einstellungen für Dave festlegen.“ Manches davon kann funktionieren, aber es gibt auch eine Grenze in der Technologie – wir nennen sie die „creey line“. Der Zeitpunkt, an dem die Datennutzung und -personalisierung ein wenig Bauchschmerzen auslöst. Wir sehen dies im Moment auch an der Diskussion rund um Facebook. Die Menschen fühlen sich langsam unwohl damit, was Daten alles über sie aussagen und wie viel Daten verfügbar sind. Mit Big Data kommt große Verantwortung und manchmal ist es schwer zu sagen, wo die Grenze liegt.
Wenn ich 20 Million US-Dollar hätte, um das Studio der Zukunft aufzubauen, wie sehe es aus?
Es gibt Leute, die sagen, das Studio der Zukunft wird vollautomatisch funktionieren, während sich die Besucher im Club bewegen, werden sie biometrisch gescannt und erhalten Textnachrichten auf ihr Smartphone. Ich würde niemandem raten, im Moment dafür Geld auszugeben. Ich denke, dass das Wichtigste ist, dass dein Studio eine gute, einladende Atmosphäre hat – sorge dafür, dass Leute, die an deinem Studio vorbeikommen auch hineingehen möchten. Du lernst am meisten von echten Verkaufsflächen, Apple ist ein gutes Beispiel. Sie haben sehr viele Mitarbeiter in ihren Stores und dafür gibt es einen Grund. Wir treffen Entscheidungen aufgrund von zwischenmenschlichen Kontakten. Deswegen würde ich dazu raten die 20 Million US-Dollar für das richtige Studiopersonal auszugeben. Grundsätzlich treffen wir Kauf- und persönliche Entscheidungen aufgrund von Beziehungen. Technologie ist nur dann nützlich, wenn sie sinnvoll ist und sinnvoll ist sie nur, wenn sie menschliche Bedürfnisse erfüllt und einen gewissen Wert verleiht. Zu viel Technologie ist auch nicht nötig. Denke an deine Kunden, denke an deine Mitarbeiter und denke darüber nach, wie du die Beziehungen zwischen ihnen verbessern kannst.