Wie würden Sie als jemand, der den globalen Fitnessstudiomarkt aus der Vogelperspektive betrachtet, dessen aktuellen Zustand beurteilen?
Dr Paul Bedford (PB): Im Allgemeinen ist es ziemlich gut. In einigen Unternehmen gibt es Probleme, aber das hat eher mit den Geschäftsmodellen und -praktiken zu tun als mit der Branche als Ganzes. Wir haben festgestellt, dass die Menschen nach der Pandemie in die Studios zurückkehren, aber sie nutzen sie anders und in einigen Fällen nutzen sie andere Studios als vorher. Die Verschiebung der Verhaltensmuster der Mitglieder ist in den Stadtzentren und Vororten am deutlichsten, wobei die Studionutzung die Tatsache widerspiegelt, dass die Menschen weniger Zeit im Büro verbringen und mehr Zeit von zu Hause aus arbeiten. Da Dienstag bis Donnerstag die neue Bürowoche ist, investieren die Menschen entweder mehr in die Studios in den Vororten (oft mit ihren Familien) oder sie nutzen Studios in den Städten nach dem Prinzip „Pay as you go“ und sind bereit, für die geringe Häufigkeit einen Aufpreis zu zahlen – so wie viele von uns es mit dem Reisen machen, indem sie Ad-hoc-Tarife bezahlen, anstatt Dauerkarten zu kaufen.
Offensichtlich gibt es einen großen Trend zum Krafttraining und eine wachsende Zahl von Menschen, die online trainieren. Im Allgemeinen haben Fitnessanbieter*innen heutzutage lediglich einen Anteil an einem Kunden, anstatt dessen gesamte Fitnesserfahrung zu begleiten. Diese Menschen gehen in mehrere Einrichtungen, machen manchmal ihr eigenes Ding zu Hause und ergänzen das dann mit einmaligen Besuchen in Boutiquen. Das eröffnet Möglichkeiten für Aggregatoren – und wir sehen das auch auf dem Firmenfitnessmarkt aufgrund der sich ändernden Arbeitsmuster.
Wie wirkt sich dies auf die Laufzeit eines durchschnittlichen Mitglieds aus?
Das ist wirklich von Studio zu Studio unterschiedlich. Wir haben kürzlich mit einem Betreiber zusammengearbeitet, und bei einem Drittel seiner Studios ist die durchschnittliche Dauer der Mitgliedschaft gleichgeblieben, bei einem Drittel ist sie um ein oder zwei Monate gestiegen, während sie bei einem Drittel um 7 bis 10 Monate gesunken ist. Die durchschnittliche Dauer der Mitgliedschaft wird immer kürzer, sodass immer mehr Betreiber*innen erkennen, wie wichtig es ist, ein großartiges Erlebnis zu bieten, um dies abzumildern – aber es ist ein langfristiges Engagement erforderlich, um hier Resultate zu erzielen. Es gibt Faktoren, die sich unserer Kontrolle entziehen und der Studiolandschaft derzeit schaden – wie die Lebenshaltungskostenkrise – aber ich denke, dass die Branche in den nächsten Jahren wieder über dem Niveau von vor der Pandemie liegen wird.
Was können Studios tun, um diesen schwierigen Bedingungen zu begegnen?
Es ist sehr wichtig, ein eindeutiges Angebot für die Mitglieder zu haben und sich ganz klar zu positionieren – wenn du versuchst, für alles zu stehen, stehst du am Ende für nichts. Um ein konkretes Beispiel für ein CrossFit- oder Hyrox-Angebot zu nehmen: Sie sprechen stark engagierte Sportler*innen an, und es ist dann die Frage, ob diese sich dafür entscheiden oder zur vergleichbaren Konkurrenz gehen.
Aber sehen wir uns das andere Ende des Spektrums an und betrachten die, die erst neu mit dem Sport beginnen, dann hat die Branche hier wirklich etwas versäumt. Wir haben die Qualität fast aller Einrichtungen in den letzten 20 Jahren erheblich verbessert und können einige wunderschöne Anlagen vorweisen, aber beim Onboarding hapert es gewaltig. Ich verwende oft die Analogie, dass es so ist, als würden wir in ein Autohaus gehen und einer Person, die keinen Führerschein hat, die Schlüssel zu einem Bentley geben. Kann sie ihn überhaupt aus dem Ausstellungsraum fahren? Wenn wir in der Branche weiter wachsen wollen, müssen wir anfangen, die Branche zu segmentieren und die richtige Unterstützung zu leisten, damit Neueinsteiger*innen erfolgreich sein können.
Warum haben Studios Ihrer Meinung nach Probleme mit dem Onboarding?
Das ist definitiv ein langfristiges Problem. Ich habe vor vielen Jahren darüber promoviert, und es ist immer noch eine große Schwäche der Betreiber*innen. Der Aufstieg des Low-Cost-Marktes und des Self-Service hat sich ausgewirkt und dazu geführt, dass der persönliche Kontakt weniger im Vordergrund steht. Aber es war schon immer eine Herausforderung, den Wert des Onboardings richtig zu messen, sodass viele nicht bereit sind, die nötige Zeit dafür zu investieren.
Mitarbeiter*innen eines Fitnessstudios werden vermutlich in den meisten Fällen sagen, dass alle Mitglieder wissen, was sie tun, und keine Unterstützung brauchen, aber das ist ganz klar nicht der Fall. Wir haben kürzlich für einen Betreiber in London gearbeitet und festgestellt, dass 40 % der Mitglieder der Meinung waren, dass sie von einer Einführungsunterstützung profitiert hätten (dabei müssen wir bedenken, dass das nur die Mitglieder sind, die auch geantwortet haben. Die tatsächliche Zahl ist also wahrscheinlich viel höher, wenn wir all die Leute berücksichtigen, die das Studio bereits verlassen haben und nicht geantwortet haben), während sich 60 % der Mitglieder bereits sicher gefühlt haben und keine Unterstützung benötigten. Und als sie aufgeschlüsselt haben, wie viele Arbeitsstunden insgesamt erforderlich wären, um den betreffenden Mitgliedern eine angemessene Unterstützung beim Onboarding zu bieten, kamen sie auf eineinhalb Stunden pro Tag, was eindeutig zu bewältigen ist. Ein gutes Onboarding muss kein entmutigendes Unterfangen sein, aber es kann einen gewaltigen Unterschied für das Endergebnis ausmachen.
Sie erwähnten, dass die digitale Fitness ein Erbe der Pandemie ist – sollten Betreiber*innen deshalb einen anderen Ansatz zur Messung der Beteiligung und der Touchpoints wählen?
Betreiber*innen sind durch die starke Rückkehr der Mitglieder in die Studios beflügelt worden, aber ich denke, dass sie die Digitalisierung auf eigene Gefahr abtun. Viele Betreiber*innen, mit denen ich spreche, sagen, dass sie noch nie gefragt wurden: „Was bietet ihr eigentlich digital an?“ Aber wer zu Hause digital trainieren will, hat schon längst eine Lösung gefunden. Wir wissen, dass Verbraucher*innen vermehrt zu Hause digital trainieren. Wollen wir also, dass dieser Service von unserem eigenen Studio oder von der Konkurrenz angeboten wird? Es ist ein großes Unterfangen, qualitativ hochwertige Inhalte selbst zu produzieren, daher ist es für die meisten Studios sinnvoll, diese auszulagern, wenn sie sicherstellen möchten, eine konsistente Erweiterung ihrer Marke und des Club-Erlebnisses darzustellen. Wir haben mit einem US-amerikanischen Betreiber zusammengearbeitet und festgestellt, dass die Mitglieder, die ihre Studiomitgliedschaft um digitale Dienste erweitert haben, länger dabeiblieben als diejenigen, die dies nicht taten, auch wenn die Nutzung nicht besonders hoch war.
Die heranwachsende Generation Z stürmt momentan die Fitnessstudios. Sehen Sie Verhaltensunterschiede zwischen jüngeren und älteren Mitgliedern?
Es ist ein bisschen wie mit der Musik: Verschiedene Altersgruppen bevorzugen immer bestimmte Stile in verschiedenen Lebensabschnitten – ich sehe das total bei mir und meinem 22-jährigen Sohn! Krafttraining ist derzeit eine beliebte Trainingskategorie, und vieles davon wird von jungen Menschen und dem Aufstieg der Influencer-Kultur vorangetrieben. Da das Training sich an einer festen Position abspielt, ist Krafttraining eine der einfachsten Aktivitäten, um sich selbst im Fitnessstudio zu filmen (im Gegensatz zu einem lebhaften Kurs), und das ist es, was Content Creator gerne festhalten. Die Generation Z sieht diese Inhalte dann in ihren sozialen Netzwerken und wird dazu inspiriert, sie nachzumachen. Das nennt sich „Vicarious Learning“ (stellvertretendes Lernen) und ist etwas, das wir in Fitnessstudios schon immer gemacht haben – wir probieren Dinge aus, die wir um uns herum sehen. Jetzt gibt es einen Netzwerkeffekt durch Social Media und den daraus resultierenden massiven Trend zum Krafttraining. Aber wenn junge Leute die Informationen über ihr Smartphone erhalten, sind sie darauf angewiesen, dass das Smartphone sie durch das Training führt, und zwar in einem Maße, dass sie nicht dazu neigen, sich mit Experten oder Expertinnen zu beschäftigen, die ihnen in der Einrichtung zur Seite stehen. Es besteht also eine gewisse Diskrepanz, und außerdem kommt es zu großen Engpässen im Fitnessstudio, weil alle die gleichen Kraftgeräte benutzen wollen.
Wie können Studios damit umgehen und der Überfüllung entgegenwirken?
Einige der Universitäten, mit denen ich zusammenarbeite, haben die während der Pandemie eingeführten Booking-Tools beibehalten, so dass ihre Mitglieder einen Platz im Studio (oder manchmal sogar an einem bestimmten Squat Rack) buchen können und wissen, dass sie während dieser Zeit Zugang zu den Geräten haben werden. Das Wichtigste für Betreiber*innen aller Größenordnungen bei der Steuerung der Besucherzahlen ist es, sicherzustellen, dass sie ihre Mitglieder auf andere Bereiche des Studios verweisen, in denen sie mehr Leute gleichzeitig betreuen können – wie z. B. die Kursräume, Functional Areas usw. Das ist gut beim Onboarding und durch die laufende Kommunikation mit den Mitgliedern zu erreichen. Wer noch einen Schritt weiter gehen möchte, kann diese Kapazitäts-Insights als Grundlage für eine Marketingstrategie nutzen: Wenn ihr bereits wisst, dass ihr Schwierigkeiten haben werdet, noch mehr Mitglieder an den Kraftgeräten zu bedienen (und alles getan wurde, um die Kapazität zu maximieren), dann sollte sich euer Marketing eher an potenzielle Mitglieder wenden, die vor allem die Bereiche des Studios nutzen, in denen noch Kapazitäten frei sind. So seid ihr besser in der Lage, auf die Bedürfnisse dieser potenziellen Kund*innen einzugehen, sodass diese wahrscheinlich länger bleiben und einen höheren Lebenszeitwert haben, was einen besseren Return on Investment für die Marketingausgaben darstellt.
Welche weiteren Auswirkungen hat der Krafttrainings-Trend auf Fitnessstudios?
Es ist großartig, dass immer mehr Menschen in Fitnessstudios Krafttraining betreiben, und ich bin seit fast 40 Jahren ein Fan davon, aber es gibt noch andere Faktoren, die wir beachten müssen. Die Angst vor dem Training – insbesondere bei Fitness-Neulingen – kann in einer Umgebung, in der alle Gewichte stemmen, verstärkt werden, und zwar oft mehr als uns bewusst ist. Ich habe mich kürzlich mit Mitgliedern Ende 40 unterhalten, die eindeutig Erfahrung im Gewichtheben haben. Sie zögerten aber, Squats zu machen, weil das Studio vor kurzem von den schwarzen Bumper-Plates auf die mehrfarbigen Elite-Plates umgestiegen war. Sie sagten, dass niemand darauf geachtet hat, als die Platten noch schwarz waren. Jetzt hat jedes Gewicht eine Farbe, und die Leute achten eher darauf, wie viel andere stemmen. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht – und ich weiß, dass es vielen Betreiber*innen genauso geht – aber die Mitglieder nehmen diese Feinheiten wahr. Während wir also den Trend zum Krafttraining aufgreifen, ist es wichtig, dass wir uns der Umgebung, die wir schaffen, wirklich bewusst sind und unseren Mitgliedern ihre Ängste und Unsicherheiten rund ums Training nehmen.
Wie sehen Sie die Rolle von Gruppenfitness in der heutigen Fitnesslandschaft?
Es besteht kein Zweifel daran, dass Gruppenfitness im Studioumfeld immer eine Rolle spielen wird. Die Vorteile in Bezug auf die Mitgliederbindung und die Schaffung von Gemeinschaften sind gut dokumentiert – und ein Argument dafür ist, dass Gruppenfitness in einer Zeit, in der die Mitgliedschaften tendenziell kürzer werden, noch mehr an Bedeutung gewinnen. Aber wir sehen auch, dass Krafttraining viele neue Leute in das Studio bringt, die, denke ich, von der relativen Einfachheit der Bewegungen angelockt werden – Abläufe, die sie auf ihrem Handy anschauen, den Cues folgen und dann nachmachen können. Im Gegensatz dazu ist der Kursraum häufig vom Rest des Studios abgetrennt, Mitglieder müssen sich wahrscheinlich zu einem Kurs anmelden, die Classes sind schnell und es gibt eine Choreografie, die sie lernen müssen.
Die Aufgabe der Studios besteht darin, Mitglieder auf den Erfolg vorzubereiten und ihnen die nötige Unterstützung zu geben, damit sie mit dem Gruppentraining beginnen und die Früchte ernten können. Ich habe mit einer dänischen Studiokette zusammengearbeitet, bei der wir Kurse live im Kursraum unter der Leitung eines Trainers, digital im Kursraum unter der Leitung eines Trainers auf einem Screen und über eine App angeboten haben, die zu Hause genutzt werden konnte. Wir haben festgestellt, dass es für die Mitglieder eine großartige Möglichkeit war, die Bewegungen zu lernen und ihr Selbstvertrauen zu stärken, so dass sie sich wohlfühlten, wenn sie ins Studio kamen und sich der Gruppe anschlossen. Das ist auf jeden Fall eine Überlegung wert, die Betreiber*innen im Rahmen ihres Onboardings anstellen sollten.
Ein weiterer Vorteil von Gruppenfitness ist, dass die Teilnehmer*innen nicht zu viel nachdenken müssen, sondern einfach kommen und tun, was ihnen gesagt wird. Beim selbstgesteuerten Training hingegen müssen viele Entscheidungen getroffen werden, was zu einer erheblichen kognitiven Belastung führt, die die Menschen abschreckt – vor allem, wenn sie keine Lust zu haben. Und natürlich ist die Zeitplanung ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, Teilnehmer*innen bei der Stange zu halten und das Training durchzuhalten. Geht eine Person immer montags um 18 Uhr zu einem Kurs, wird dies zur Gewohnheit und zu etwas, auf das sie sich freut. Es wird zu einem festen Termin im Kalender: Kurs X, jeden Montag um 18 Uhr. Unser Leben ist heute so hektisch, dass das Training leicht auf der Strecke bleibt, wenn wir uns nicht gezielt Zeit dafür nehmen.
Was braucht die Branche, um weiter voranzukommen?
Manchmal müssen wir uns einfach selbst unter die Lupe nehmen. Ich weiß, dass wir sehr gut darin sind, uns selbst zu vermarkten – und das müssen wir auch. Aber wir müssen auch ein bisschen selbstkritischer sein und uns fragen, was wir besser machen können. Ich bin ein öffentlicher Pessimist und werde die Branche immer in Frage stellen, einfach weil ich will, dass sie es besser macht. Wir sind in der Lage, so viel mehr zu tun, und es geht nicht nur um Wirkung um jeden Preis. Wir können dies tun und gleichzeitig profitabel sein und das Wachstum vorantreiben – es ist eine Win-win-Situation. Die Zukunft sieht rosig aus, aber sie wird nicht einfach sein, also müssen wir uns steigern und weiter vorwärts drängen.
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