ALLES, WAS DU ÜBER FUNKTIONELLES TRAINING WISSEN MUSST

Ob Boutique-Studio oder Mainstream-Fitnessstudio – „funktionelles Training“ ist das neueste Schlagwort, mit dem viele trendige Workouts beschrieben werden. Doch was genau bedeutet es? Und was steckt überhaupt hinter dem Hype? Wir haben uns mit den Experten unterhalten, um das herauszufinden...

Was ist funktionelles Training?

Funktionelles Training beinhaltet Bewegungsmuster, die mehrere Gelenke einbeziehen, damit wir im Alltag fit und stark sein können. „Es werden Übungen verwendet, die Ganzkörperbewegungen und Bewegungsmuster nachbilden, die man im Sport und allgemein bei Alltagsaktivitäten sieh“, sagt Rob Lee, Physiotherapeut und technischer Berater von LES MILLS. „Funktionelles Training liefert Kraft und Beweglichkeit, die sich auch für andere Aufgaben nutzen lassen. Im Grunde genommen ist es ein Training, bei dem die Muskeln oder Bewegungen nicht in völliger Isolation trainiert werden.“

Warum sollte man es in sein Programm aufnehmen?

„Funktionelles Training verbessert deine Fähigkeit, all die Aktivitäten außerhalb des Fitnessstudios auszuführen, zum Beispiel, dass du einfach von der Couch aufstehen kannst oder deinen Golfschwung verbesserst!“ sagt der in den USA lebende Trainer Kenta Seki. „Wenn du die entsprechenden Muskeln richtig und häufig trainierst, senkst du auch dein Verletzungsrisiko bei alltäglichen Aktivitäten.“

Chris Wright, Head of Strength and Conditioning an der Loughborough University (UK), stimmt dem zu: „Man stelle sich eine Mutter vor, die ihr Kind vom Boden hochheben will. Diese Aufgabe erfordert eine Bewegung in Knöchel, Knie und Hüfte – eine typische Squat-Bewegung – um die Last zu heben. Du kannst dieses Bewegungsmuster im Kursraum mit einem Deadlift nachahmen. Wir können sehen, dass die Kräftigung der Muskeln um genau diese Gelenke herum das Verletzungsrisiko der Mutter minimiert, wenn es darum geht, ihr Kind hochzuheben.“

Es geht nicht nur um Tyre Flipping, Handstand und Battle Ropes...

Im Gegensatz zu dem, was du vielleicht auf Instagram siehst, musst du keinen Trainingsschlitten durch die Gegend schieben, um funktionelle Bewegungen zu machen. „Die Übungen sind nicht alle extrem anspruchsvoll oder erfordern ein spezielles Level an Fähigkeiten“, sagt Lee. „Es ist nicht alles gefährlich. Gute funktionelle Übungen verwenden Ganzkörperbewegungen, die relevante Bewegungsmuster aus deinem Alltag oder Sport nachbilden. Der Squat selbst ist eine geniale funktionelle Übung. Die funktionellen Übungen lassen sich leicht an unterschiedliche Fitnesslevels anpassen.“

Du kannst auch Elemente des funktionellen Trainings in deinen bestehenden Trainingsplan einbauen. „Wenn du dich entscheidest, funktionelle Übungen in dein Training einzubauen, bedeutet das nicht, dass du alles, was du derzeit machst, über Bord werfen musst“, erklärt Chris Gagliardi, ACE (American Council on Exercise) Scientific Education Content Manager. „Vielleicht kannst du funktionelle Trainingsübungen in dein Warm-up oder Cool-down oder sogar in die Konditionsphase des Workouts einbauen.“

Ist es für jeden geeignet?

In gewissem Maße, ja. „Wie bei allen Trainingsmethoden bestimmen die Komplexität, Intensität, Häufigkeit und Belastung, ob und wie das Training geeignet für jemanden ist“, sagt Lee. „Wenn diese Dinge nicht auf die Fähigkeiten und das Fitnesslevel einer Person abgestimmt sind, kann das zu Problemen führen. Aber auf ein sicheres und effektives Level gebracht, ja – dann ist funktionelles Training für jeden geeignet.“

„Der größte Vorteil des funktionellen Trainings ist, dass es für alle Fitnesslevel geeignet ist und in einer Vielzahl von Umgebungen durchgeführt werden kann, sowohl mit als auch ohne Trainingsgeräte.“, sagt Gagliardi. „Diese Art von Training sorgt für eine stabile Körperhaltung und stellt sicher, dass jedes Gelenk in der kinetischen Kette in den entsprechenden Situationen stabil oder beweglich ist. Es ist auch nicht ausschließlich für Anfänger geeignet. Selbst Spitzensportler können von funktionellem Training in Bezug auf Verbesserungen bei der Haltungsstabilität und der Beweglichkeit der kinetischen Kette - für eine effizientere Bewegung - profitieren.“

Die Intensität ist nicht der wichtigste Faktor

Trotz des steigenden Trends zu hochintensiven funktionellen Workouts muss diese Art von Training dich nicht „schluchzend in deiner eigenen Schweißlache“ zurücklassen... „Funktionelles Training wird oft mit einer extrem hohen Intensität assoziiert und damit, dass Teilnehmer an ihre Belastungsgrenze gebracht werden. Aber dieses Training muss nicht unbedingt mit maximaler Leistung durchgeführt werden.“, sagt Lee. „Gute funktionelle Trainingsübungen zu verstehen und zu erlernen ist ein hervorragender Weg, um ausgewogene Kraft über mehrere Bewegungsbereiche und -ebenen aufzubauen.“

„Die Vorteile sind auch zu sehen, wenn man mit niedriger und moderater Intensität trainiert.“, so Lee weiter. „Und zwar einfach dadurch, dass wir uns diese Bewegungen erarbeiten und schließlich meistern. Sicher, es gibt eine Zeit, in der man die Intensität pushen und seine Fitnesskapazität verbessern kann ­- und das können wir mit funktionellen Übungen erreichen, aber das sollte nicht mit dem Verlust einer guten Bewegungskontrolle einhergehen.“

Wenn deine Knie nachgeben, ist es an der Zeit, das Gewicht zu reduzieren

„Das Wichtigste ist, die Grundlagen richtig gut zu beherrschen“, sagt Wright. „Es ist eine gute Idee, dich bei der Ausführung der Übungen zu filmen, damit du deine Technik überprüfen kannst. Du musst auch wissen, wie 'gut' aussieht. Daher kann es hilfreich sein, mit einem Personal Trainer zu arbeiten, der deine Form überprüfen kann und dir erklärt, warum bestimmte Bewegungen in deinem Programm enthalten sind.“

„Die Technik bleibt nicht auf der Strecke, nur weil du funktionelles Training machst! “, fügt Lee hinzu. „Ich sehe häufig, dass eine gute Technik geopfert wird, um die Übung nur um ihrer selbst willen zu machen. Es ist viel besser, die Übung in einer einfacheren Version auszuprobieren – egal, ob du die Belastung oder die Komplexität reduzierst – um sicherzustellen, dass du dich effizient und mit guter Technik bewegst. Das ist wahrscheinlich das Funktionellste, was du tun kannst!“

„Wenn du deine Zeit in funktionelles Training investierst, dann ist das Wichtigste, dass du dir überlegst, welches Ergebnis du erreichen willst“, fährt Wright fort. „Ich würde nicht empfehlen, es zu tun, nur weil du jemanden gesehen hast, der es auf Social Media macht. Egal, ob du neu im Training bist oder ein Leistungssportler, du musst verstehen, warum du deine Zeit und Energie in dieses Training investierst, denn je nach deinen Zielen ist funktionelles Training vielleicht nicht der effizienteste Weg, um sie zu erreichen. Und wenn es um hochintensives funktionelles Training geht, musst du es wahrscheinlich nicht 5-6 Mal pro Woche trainieren. Du musst zwischen den Trainingseinheiten Zeit für die Erholung einplanen, damit sich dein Körper anpassen und die gewünschten Resultate erzielen kann.“

Technologie für optimale Leistung

Während tragbare Sensoren uns Daten über unsere Herzfrequenz, unseren Kalorienverbrauch, unsere Schritte usw. liefern können, stellt sich die Frage, woher wir wissen, ob wir uns z.B. beim Deadlift mit der optimalen Geschwindigkeit bewegen. Technologie könnte die Antwort sein, sagt Wright. „In der Welt der Sportleistung nutzen wir bereits Technologie, die die Geschwindigkeit in Bewegungen erfasst. Sagen wir, ich möchte im Back Squat stärker werden: Mein Ziel könnte es sein, jeden Tag 85 kg zu heben. Wenn mir die Technik sagt, dass ich an Geschwindigkeit verliere, könnte ich dann meine Last auf 78 kg senken, um trotzdem den Kraftzuwachs zu erreichen.“

„Ich würde mir wünschen, dass Technologien, die sich auf das Feedback zur Bewegungstechnik und Belastung fokussieren, mehr an Bedeutung gewinnen“, ergänzt Lee. „Dies könnte dafür sorgen, dass Übungen auf individuelle Personen angepasst und dadurch für diese besonders effizient und effektiv durchführbar werden. Gleichzeitig könnten Trainingseffekte bei bestimmten Sportarten und Aktivitäten maximiert werden.“

Die Zukunft ist funktionell

Der Trend zu funktionellem Training wird sich fortsetzen, denn viele Workouts (einschließlich BODYPUMP und LES MILLS CORE) haben diese Art von Bewegungen bereits in ihr Programm aufgenommen. „Ich denke, dass viele Trainingsmethoden zunehmend Übungen einbeziehen werden, die als funktionell angesehen werden.“, schätzt Seki. „Sogar einige Bodybuilder, die ich kenne, fangen an, einige kombinierte funktionelle Übungen in ihre Routinen einzubauen! Ich bin mir sicher, dass wir auch zukünftig das Erscheinen neuer Trainingsgeräte und Marken erleben werden, die sich auf funktionelles Training fokussieren.“

„Ich erwarte, dass es generell häufiger im Training angewendet wird“, stimmt Lee zu. „Ich denke, viele Teilnehmer machen funktionelles Training, ohne es wirklich zu wissen! Wir werden immer besser verstehen, welche Effekte es bringt und wie es sich nicht nur auf die Leistung, sondern auch auf andere gesundheitliche Aspekte auswirkt.“

„Im Moment ist funktionelles Training für mich das Maß aller Dinge“-, sagt Glen Ostergaard, Program Director von BODYPUMP. „Ich integriere funktionelle Übungen in die BODYPUMP Workouts wie Push-ups in Kombination mit Bench Presses oder Mountain Climbers in Kombination mit Trizeps Extensions. Wenn du Ganzkörperübungen in das Training einbindest, bedeutet das, dass eine isolierte Übung, die du danach auf dem Step machst, viel härter ist und du dadurch mehr aus ihr herausholen kannst. Ich habe die funktionellen Bewegungen sehr bewusst eingeführt, und das ist definitiv der Punkt, an dem BODYPUMP im Moment steht. Ich denke, das wird auch eine ganze Weile so bleiben.“

Die effektivsten funktionellen Übungen

Es gibt viele Übungen, die unter den Begriff „funktionell“ fallen, aber welche geben dir den besten Nutzen für dein „(Trainings-)Geld“?

Wenn du gerade erst anfängst, schlägt Gagliardi vor, dass du zuerst Übungen ausprobierst, die es dir ermöglichen, Core-Stabilität zu entwickeln, bevor du zu fortgeschritteneren Optionen übergehst. Gute Optionen sind die Übungen Glute Bridge, Bear Crawl, Spider Walks, Inchworm und Stability Ball Walk Out.

Für diejenigen, die schon etwas sicherer sind, rät Lee: „Wähle Übungen, die große Bewegungen beinhalten und gleichzeitig deine Rumpfstabilität herausfordern, und integriere mehr als ein Bewegungsmuster.“ Hier sind einige unserer Favoriten:

Squat to Overhead Press Drücke das Gewicht vom Schlüsselbein hoch bis über den Kopf, während du eine Squat-Bewegung machst.

Deadlift to Single Arm Dumbbell Row Die Übung kombiniert die Hüftgelenkbewegung beim Beugen und Strecken (DEADLIFT) mit einem Offset-Gewichtszug.

Offset Kettlebell Lunge Hier wird die typische Bewegung eines Lunges/einer Lauf-Position nachgeahmt, eine Herausforderung für den gesamten Körper; du kannst die Kettlebell-Position variieren.

Offset Weight Walk Einseitiger Gewichtszug, wie ein schwerer Koffer. Oder ein Farmer Walk - mit einem schweren Gewicht in jeder Hand.

Medizinball werfen Den Ball vom Boden heben und wegdrücken/werfen, um so zu tun, als würde man Objekte aller Art in verschieden Geschwindigkeiten bewegen.

Box Step-ups & Box Jumps Schritt- und Sprungbewegung zur Steigerung/Verbesserung der Explosivität, Agilität & Energieabsorption.

Sled Pulling & Pushing Das Schieben und Ziehen von Objekten – unter Einsatz deines gesamten Körpers, um Schwung zu holen – fordert die Standsicherheit heraus und verbessert die gesamte Körperleistung.

Burpees (du wusstest, dass sie kommen...) Es gibt nichts Besseres, als immer wieder vom Boden hochzuspringen, um vollständige Beweglichkeit und Kraft zu entwickeln!

Rob Lee (Neuseeland)

Rob Lee ist Technical Consultant für LES MILLS GRIT, LES MILLS TONE, LES MILLS Ceremony und LES MILLS Conquer. Er ist ein international erfahrener Physiotherapeut, der im Profisport, in der Privatmedizin und in vielen Bereichen des Hochleistungstrainings gearbeitet hat. Kombiniert mit seinem wettkampforientierten Trainingshintergrund hat Rob eine Leidenschaft für die Entwicklung effektiver Übungen, die der Gesundheit der Teilnehmer zugutekommen, unabhängig von ihren Fähigkeiten. Was er an der Arbeit mit LES MILLS besonders schätzt, ist die Tatsache, dass er Teil eines Prozesses ist, der durch Bewegung weltweit das Leben von Menschen beeinflusst. Er ergänzt: „Mit der richtigen Umgebung, dem richtigen Programm und der richtigen Anleitung werden Menschen immer mehr erreichen, als sie zu können glauben.“

Chris Gagliardi (USA)

Chris Gagliardi ist Scientific Education Content Manager für ACE (American Council on Exercise). Er ist ein ACE-zertifizierter Personal Trainer, Health Coach, Gruppenfitness-Instruktor und Medical Exercise Specialist, NSCA-zertifizierter Kraft- und Ausdauerspezialist, NBHWC-zertifizierter NBC-HWC und NASM-zertifizierter Personal Trainer, der es liebt, seine Begeisterung für Fitness mit anderen zu teilen und sich dem lebenslangen Lernen verschrieben hat. Er hat einen Bachelor-Abschluss in Kinesiologie von der San Diego State University, einen Master-Abschluss in Kinesiologie von der A.T. Still University und ein Zertifikat in Orthotics von der Northwestern University Fienberg School of Medicine.

Chris Wright (UK)

Chris Wright ist Head of Strength & Conditioning der Loughborough University. Er ist ein anerkannter UKSCA Kraft- und Ausdauertrainer, der in seiner Karriere umfangreiche Erfahrungen in der Entwicklung, Umsetzung und Kontrolle von maßgeschneiderten Kraft- und Ausdauerprogrammen gesammelt hat. Durch die Kombination von Fachwissen in den Bereichen Fitnesscoaching, Kraft und Ausdauer sowie Leistungsmonitoring spielt Chris eine Schlüsselrolle bei der Optimierung des physiologischen Leistungspotenzials, der Rehabilitation und der Verletzungsprophylaxe von Athleten, die in einem Hochleistungsumfeld antreten. In den letzten zehn Jahren hat Chris mit einer Vielzahl von Athleten gearbeitet, von der Nachwuchsförderung bis hin zu Nationalspielern, sowohl in Großbritannien als auch in Übersee.

Kenta Seki (USA)

Kenta Seki ist Gesundheits- und Fitnesstrainer in Los Angeles. Er ist ein von Reebok gesponserter Athlet, ein Fitness- und Ernährungscoach für GNC und leitender Trainer für die Fitness-App FitOn.

Glen Ostergaard (NZ)

Glen Ostergaard wurde die Liebe zu Fitness in die Wiege gelegt. Bevor er Fitness für sich entdeckte, stemmte sein Vater mit Freunden in einer alten Garage Gewichte. Als Glen älter wurde und seinen Vater und dessen Freunde beim Training sah, wusste er, dass er in seine Fußstapfen treten wollte. Als er 16 Jahre alt war, gab ihm sein Vater sein erstes Trainingsprogramm: dreimal zehn Wiederholungen aller Grundübungen. Von dort aus wechselte Glen zum Wettkampf-Bodybuilding, bevor er zum Powerlifting und CrossFit überging. Er lebt in Auckland, Neuseeland, wo er Program Director für BODYPUMP, RPM und LES MILLS SPRINT ist.