DEHNEN WIE EIN PROFI – SO GEHT'S

Muskuläres Gleichgewicht, bessere Bewegungskontrolle und mehr Flexibilität – all das kannst du mit gezieltem Stretching erreichen. Aber was empfehlen Experten? Und welche Dehnübungen bevorzugen Fitnessprofis?

Wie bei allem im Leben suchen Menschen oft nach der Wunderwaffe – oder in diesem Fall nach der „magischen Dehnübung“, um Verspannungen oder Schmerzen im Bewegungsapparat zu lindern. Laut Bryce Hastings, Head of Research bei Les Mills, gibt es hier aber keine Patentlösung. In seinen 20 Jahren als Rehabilitations-Physiotherapeut hat Hastings eine Vielzahl von Dehnungstrends kommen und gehen sehen. Wir haben ihn um seinen Expertenrat gebeten und gefragt, welche Methoden sich bewährt haben.

Was sind die besten Dehnübungen?

Das kommt darauf an, welches Ziel du verfolgst. Wenn du deinen Körper vor dem Training mobilisieren möchtest, dann sind dynamische Dehnübungen (wie Ausfallschritte nach hinten mit Rumpfdrehung oder Armschwünge) ideal. Diese Übungen sind am besten geeignet, um deine Muskeln auf dynamische Bewegungen vorzubereiten. Wenn es dein Ziel ist, posturale Dysbalancen auszugleichen, dann ist langes, statisches Dehnen die bessere Alternative.

Welche Muskeln sollten gedehnt werden?

Wenn du eine Dehn-Routine hast oder dich nach dem Unterrichten dehnst, um die Regeneration zu unterstützen, dann kannst du den gesamten Körper dehnen. Wenn du jedoch einen Bereich aufgrund von anhaltenden Schmerzen oder Verspannungen dehnen möchtest, wird es schon schwieriger. Herauszufinden, welche Muskeln der Auslöser sind, ist nicht immer leicht. Wenn du zum Beispiel hängende Schultern hast, dann kann das zu Schmerzen im oberen Rücken führen. Viele Menschen versuchen, diese Verspannung durch Dehnen zu lösen, indem sie vielleicht die Hände vor dem Körper verschränken und die Arme nach vorne bewegen, während sie den oberen Rücken runden. Zunächst fühlt es sich so an, als würde das die Beschwerden lindern, allerdings ist es nur eine Dehnung des Gewebes, das bereits verhärtet ist. Bei Betroffenen finden wir oft einen verkürzten Muskel in der gegenüberliegenden Muskelgruppe (für hängende Schultern ist z. B. oft die Brustmuskulatur verantwortlich). Das Dehnen der auslösenden Muskulatur ist daher oft effektiver.

Es gibt viele Dehnmethoden. Welche ist DEIN Favorit?

Ich mag die so genannte CRAC-Methode. CRAC steht für Contract Relax, Antagonist Contract. Bei dieser Art der Dehnung setzt man auf eine PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation). Vereinfacht gesagt wechselt man zwischen Anspannen und Entspannen des Muskels bzw. des Gegenspielers. Wenn wir dies zum Beispiel auf den Psoas (großer Lendenmuskel) an der Vorderseite der Hüfte anwenden, bringen wir den Hüftbeuger in eine Dehnposition, kontrahieren die Hüftbeuger gegen einen Widerstand, um drei Sekunden lang Spannung aufzubauen, zu entspannen und dann den Gluteus Maximus (den Antagonisten des Psoas) 10 Sekunden lang anzuspannen. Dadurch wird die Hüfte weiter in die Hüftstreckung gebracht, was die Dehnung des Psoas intensiviert. Der Grund, warum dies so vorteilhaft ist: Der Gegenspieler wird oft von dem verkürzten Muskel dominiert. Du dehnst also nicht nur die verkürzten Muskeln, sondern reaktivierst auch den weniger dominanten Muskel und hilfst, das Gleichgewicht wiederherzustellen.

Bryce Hastings Lieblings-Dehnübung

Den Psoas (einen Hüftbeuger) zu dehnen hat viele Vorteile. Wir haben nur 10-15 Grad Bewegungsradius in der Hüfte zur Verfügung (wenn sich der Oberschenkel hinter den Körper bewegt), und nutzen diesen bei jedem Schritt. Im Vergleich: Unsere Beinrückseite lässt normalerweise 90 Grad Bewegungsradius zu, von der wir aber nur etwa 30 Grad nutzen, wenn wir gehen oder laufen. Daher verursacht hier eine Verkürzung der Muskulatur um 10 Grad keine schwerwiegenden Probleme. Wohingegen der Verlust von 10 Grad der Psoaslänge ein echtes Problem darstellt. Jede Verkürzung dieses Muskels leitet die Bewegung, die eigentlich in der Hüfte stattfinden sollte, nach oben in den unteren Rücken um und belastet ihn stark.

Ist es besser, sich vor oder nach dem Training zu dehnen?

Sich nach dem Training zu dehnen hat Vorteile, weil die Muskeln dann schon warm sind. Das ermöglicht es dir, tiefer in die Dehnung zu gehen. Stretching nach dem Training ist auch eine gute Möglichkeit für ein Cooldown und um das Muskelgewebe auf Regeneration einzustellen.

Eine intensive Stretching-Einheit eignet sich ideal, um sich auf die Haltung und die Gelenke zu fokussieren. Viele von uns sitzen jeden Tag stundenlang am Schreibtisch. Eine intensive Mobility-Einheit hilft, die Muskeln zu entlasten, indem wir den Körper aus dieser Position holen.

Ein weiterer Vorteil ist die erhöhte Propriozeption (das Bewusstsein für die Position und die Bewegungen des Körpers). Unsere Muskeln und Gelenke haben diverse Rezeptoren, die das Gehirn darüber informieren, wie wir uns bewegen und wie die Position unserer Gliedmaßen im Raum ist. Mobility-Workouts helfen, diese Rezeptoren, die durch statische Haltungen oft „schlummern“, zu aktivieren. Das führt zu einer verbesserten Balance und Bewegungssteuerung.

Ist der Hauptgrund, um sich zu dehnen, mehr Beweglichkeit?

Meiner Meinung nach ist Hauptnutzen von Stretching die Verbesserung der Bewegungskontrolle und Muskelbalance. Dazu gehört Beweglichkeit, aber auch Muskelkraft und Propriozeption. Für die meisten von uns ist mehr Beweglichkeit nicht zwingend notwendig. Tatsächlich haben Menschen, die sehr flexibel oder hypermobil sind, oft genauso viele (wenn nicht sogar mehr) Verletzungen als diejenigen, denen es an Beweglichkeit mangelt.

Wie kann Stretching zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit beitragen?

Krafttraining ist der Schlüssel zu sportlicher Leistungsfähigkeit – und für sicheres und effektives Widerstandstraining muss man die Bewegungen präzise ausführen, um sicherzustellen, dass der Zielmuskel richtig belastet wird. Dysbalancen durch übermäßige Muskelverkürzung oder dadurch, dass bestimmte Muskelgruppen intensiver trainiert werden als andere, dazu führen, dass wir Bewegungen weniger kontrolliert ausführen. Eine regelmäßige Muskelbalance-Routine, einschließlich Stretching, das auf die verkürzten Gruppen abzielt, kann die Effektivität und Nachhaltigkeit eines Krafttrainingsprogramms erheblich steigern.

Einige Studien haben ergeben, dass bei Personen, die Krafttraining machen, das Dehnen entgegengesetzter Muskelgruppen während der Regenerationsphase zu einer verbesserten Leistung der gezielten Muskelgruppe führt. Dehnst du zum Beispiel die Brustmuskulatur zwischen den Sätzen bei Rudern im Sitzen kannst du gegebenenfalls mehr Wiederholungen absolvieren.

Man könnte annehmen, dass Dehnen das Verletzungsrisiko wirksam mindert. Es hat sich jedoch als schwierig erwiesen, das nachzuweisen. Eine Studie untersuchte 1.000 Armeerekruten in der Grundausbildung. Einige bekamen ein Konditionierungsprogramm mit Dehnübungen, während andere Teil der Kontrollgruppe waren. Nach 12 Wochen gab es zwischen den beiden Gruppen keinen Unterschied in der Verletzungshäufigkeit der unteren Gliedmaßen. Verletzungsvorbeugung ist ein komplexes Gebiet. Während das Dehnen eine Rolle bei der Verbesserung der Muskelfunktion spielt, hat es sich als schwierig erwiesen, in einer Forschungsumgebung zu demonstrieren, dass auch das Verletzungsrisiko gemindert wird. Es gibt jedoch anekdotische Evidenz, dass Stretching unterstützend wirken kann.

SO HAT STRETCHING MARK NU'U-STEELE GEHOLFEN

Vor zwei Jahren führte Mark Nu’u-Steele, Program Director für LMI STEP, Stretching in seine Trainingsroutine ein. Er berichtet, dass er seitdem verletzungsfrei ist. „Ich habe wirklich das Gefühl, dass ich durch regelmäßiges Stretching Verletzungen vorbeugen, den Muskelkater nach dem Training deutlich verringern und meine steifen und schmerzenden Gelenke und den unteren Rücken entlasten konnte.“ Er fügt hinzu, dass er morgens nicht mehr mit Rückenschmerzen und schmerzenden Beinen aus dem Bett humpelt.

Das Dehnen hat auch andere Aspekte seines Trainings verändert. „Ich wollte nie etwas Neues ausprobieren, denn ich hatte eine mentale Blockade, aus Angst davor, mich zu verletzen. Jetzt fühle ich mich dank meiner Dehnübungen beweglich und stark genug, um mich an neue Herausforderungen zu wagen.“

Mark hat vor kurzem mit Kelly Macdonald, einer ehemaligen Leistungsturnerin und Mobilitätsspezialistin, zusammengearbeitet, um LES MILLS STRETCH zu entwickeln, ein neues funktionelles Stretching-Programm, das auf LES MILLS On Demand verfügbar ist.

„Für LES MILLS STRETCH musst du nicht besonders beweglich oder erfahren sein“, so Kelly. „Wenn du nicht beweglich bist, dann ist LES MILLS STRETCH ideal für dich. Es hilft dir, deinen Bewegungsradius zu erhöhen und du wirst in kürzester Zeit eine verbesserte Flexibilität feststellen. Je flexibler du bist, umso mehr Potenzial hat dein Körper, agiler, dynamischer und anmutiger zu werden und besser zu funktionieren.“

Sie empfiehlt das gezielte Dehnen als eine der produktivsten Möglichkeiten, um Fortschritte im Training zu erzielen. „Ein oder zwei Stretching Classes pro Woche sind produktiver als nach jedem Training fünf Minuten wie ein Fisch auf dem Trockenen ziellos ein paar Dehnübungen zu absolvieren.“

Auch mit den Stretching-Übungen und Posen bei BODYBALANCE kannst du Kraft und Beweglichkeit aufbauen.